Ausstellung zu Bauhaus und NS-Zeit: Auch Hitler saß im Freischwinger

Eine Ausstellung in Weimar zeigt, wie das Bauhaus im NS fortlebte. Ihr Fa­zi­t: Es gab keinen Bruch zwischen Bauhaus-Moderne und Nazi-Ästhetik.

Eine Vitrine in der Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ mit Publikationen aus der NS-Zeit.

Propaganda-Publikationen aus der NS-Zeit, gestaltet von Bauhäusler:innen, Ausstellungsansicht „Bauhaus und Nationalsozialismus“ Foto: Thomas Müller/Klassik Stiftung Weimar

Es ist wohl eines der schwierigsten Dinge, mit Ambivalenz umzugehen. In Weimar eröffnete jetzt eine Ausstellung über das Bauhaus im Nationalsozialismus. Es ist eine längst überfällige Schau voller moralischer Schattierungen über die deutsche Kunsthochschule, die noch 2019, hundert Jahre nach ihrer Gründung, allernorts als Heimstätte einer guten Moderne gefeiert wurde.

Bis heute ist der Ruf des Bauhauses recht unbescholten. Es kam der Hochschule, die auf eine neue Art Kunst und Handwerk zusammenführte, im Nachhinein wohl zugute, dass sie schon früh in Weimar von rechts in der Politik bekämpft wurde oder die lokale NSDAP beim Umzug 1925 in Walter Gropius’ ikonisches Lehrgebäude nach Dessau gegen ihren „Kulturbolschewismus“ polemisierte.

Das Experiment Bauhaus endete 1933 in Berlin, noch ehe es sich mit dem Nazi-Apparat arrangieren musste. Man weiß, die Bauhaus-Direktoren Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe versuchten noch für Hitler zu bauen, doch gingen beide früh genug ins amerikanische Exil, um sich ihm nicht mehr anzudienen.

Die Institution des Bauhauses aber wirkte auch nach der Schließung tief in den Nationalsozialismus hinein, das zeigt nun die Schau mit ihrer Fülle an Biografien, Designobjekten und Kunstwerken einstiger Bauhäusler:innen.

Erschreckend ist der Fall von Fritz Ertl. Ertl studierte am Bauhaus Dessau bei Hannes Meyer, dem Sozialisten Meyer, der an Typenhäusern und Wohnungen zum Minimalbedarf arbeitete, später für die Sowjets entwerfen sollte. Den Gedanken einer Rationalisierung von Architektur verfolgte Ertl aufs Zynischste weiter als er, 1938 der SS beigetreten, zum Leiter des SS-Neubauleitung in Auschwitz avancierte.

Die Ausstellung zeigt einen Plan des KZ Auschwitz-Birkenau, datiert auf Oktober 1941 und gezeichnet von Ertl. Die vielen Baracken, in denen Menschen wie Vieh gehalten wurden, sind darauf nur abstrakte Balken, der kalkuliert engste Raum der Insassen nur die Maßstabszahlen am Bildrand. Die Moderne als rationales Projekt, sie findet bei Ertls Architekturplänen ihren düstersten Abweg. Acht Bauhäuslerinnen wurden im KZ Auschwitz ermordet, weil sie jüdisch waren.

Hightech-Ästhetik und bäuerlich-völkische Idylle

Fritz Ertl, obwohl nie gerichtlich verurteilt, gilt heute als NS-Täter. Doch wie verhält es sich mit den anderen aus der Kunsthochschule, die nach 1933 in Deutschland weitermachten und die aufgrund ihres Berufs als Ge­stal­te­r:in­nen – willig oder unwillig – den Nazi-Apparat ästhetisch am Laufen hielten?

Da ist die Werbegrafikerin Irmgard Sörensen-Popitz. Sie wurde beim Leipziger Verlag Otto Beyer zu einer der ersten weiblichen Art Directors in der Design-Geschichte. Für auflagenstarke Zeitschriften wie die neue linie kombinierte sie verschiedene Druck- und Maltechniken zu reduzierten, geometrischen und geschmackvollen Werbebildern. Und das tat sie für den Verlag bis 1945, als der sein Programm der Nazi-Propaganda längst angepasst hatte.

Sprach mit ihrem modernen Grafikdeisgn ein fortschrittliches gesinntes Publikum an: Entwurf für eine Werbebroschüre von Irmgard Soerensen Popitz aus dem Jahr 1934

Bauhäuslerin Irmgard Sörensen-Popitz: „Ihre Werbung und die Frau“, Entwurf für den Verlag Otto Beyer, Leipzig 1934 Foto: (c) Stiftung Bauhaus Dessau, Privatbesitz

Der Österreicher Herbert Bayer gar schwang sich zum bestverdienenden Werbegestalter im Reich auf. Als Jungmeister in Dessau setzte Bayer noch die fürs Bauhaus so typische Kleinschreibung durch. Für die Nazis entwarf er dann Plakate, Logos und Publikationen mit einer Mischung aus Hightech-Ästhetik und bäuerlich-völkischer Idylle, auch für die Olympischen Sommerspiele 1936.

1938 holte Walter Gropius ihn in die USA. Bayer blieb. Dort nahm er an einer ersten Bauhaus-Ausstellung jenseits des Atlantiks teil. Von Gropius initiiert, begann mit dieser maßgeblichen Schau im New Yorker Museum of Modern Art wohl auch der Mythos des Bauhauses, der sich so lange halten sollte, als Schmiede einer avantgardistischen, humanen Moderne fernab von Nazi-Deutschland. In Weimar hat man sie jetzt als Virtual-Reality-Installation rekonstruiert.

Schnittige, leichte Gestaltung

Bayer, Sörensen-Popitz oder der in Deutschland gebliebene Wilhelm Wagenfeld (der mit der Wagenfeld-Lampe) zeigen aber: Die Nazis propagierten nicht nur einen Schwarzwaldhütten-Style oder den monumentalen Neoklassizismus eines Albert Speer.

Zum Reichsparteitag ließ die NSDAP Coca-Cola nach Nürnberg liefern, und auch sonst legte man sich im Alltag Gegenstände zu, die nach wie vor einer schnittigen, leichten Gestaltung wie der des Bauhauses entsprachen. Dafür spricht Wagenfelds wirtschaftlicher Erfolg während des NS, sein absatzstarkes Kubus-Geschirr kam erst 1938 auf den Markt.

„Bauhaus und Nationalsozialismus. Eine Ausstellung in drei Teilen“. Klassik Stiftung Weimar, bis 15. September. Katalog (Hirmer-Verlag): 49,90 Euro

In der Ausstellung gibt es ein kurioses Foto von Adolf Hitler, der auf dem Oberberghof entspannt in einem Freischwinger der Firma Thonet seine Zeitung liest. Das elegante Stahlrohrmöbel war von einem Schüler Marcel Breuers entworfen worden. Für eine französische Zeitschrift ließ sich der „Chancelier“ darin 1937 in lockerem Jackett ablichten. Hitler als Kosmopolit: Für die Inszenierung war ein Bauhausmöbel die passendste Requisite.

Dieses Foto macht es schwierig, noch die simple Trennung zwischen einem guten, menschlichen, offenen Design der Moderne und einer bösen, menschenverachtenden, völkischen Gestaltgebung der Nazis zu ziehen. Die Produktwelt des Reichs liegt zwischen braunem Mief und Fortschrittsversprechen.

Die modern-runde Typografie gefiel der SS

Es ist daher eine zu einfache, vielleicht zu schöne Erzählung, die serifenlose Schrift am schmiedeeisernen Tor des KZ Buchenwald mit dem zynischen Spruch „Jedem das Seine“ sei ein stiller Widerstandsakt des Bauhäuslers Franz Ehrlich gewesen. Der Kommunist wurde 1938 als Buchenwaldhäftling dazu gezwungen, das Tor zu gestalten, seine modern-runde Typografie war nicht subversiv, sie hat der SS einfach gefallen. Eine Kopie des Tors steht nun vor dem Schiller Museum, in dem der wichtigste Teil der Ausstellung die Biografien vieler Bau­häus­le­r:in­nen aufarbeitet.

Franz Ehrlich ist eine besonders brüchige Figur darin. In Buchenwald musste er für die SS Gebäude und Interieurs im tief-völkischen Stil entwerfen. Doch nach seiner Freilassung 1939 ließ er sich aus eigenen Stücken bis 1943 bei der SS weiter anstellen. Nach dem Krieg blieb er in der DDR, wurde SED-Mitglied, erfolgreicher Möbeldesigner und Stasi-Informant. Was hat ihn zu diesen Entscheidungen bewogen?

Die Ausstellung lässt einen da ratlos zurück. Aber das ist auch das Gute an ihr, die Ratlosigkeit.

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