Waffenkauf geht auch ohne Evaluation

Allen Geldsorgen zum Trotz hat die Innen­verwaltung die versprochene Beschaffung von 250 Tasern für die Polizei abgeschlossen

Von Rainer Rutz

Auch Innensenatorin Iris Spranger (SPD) muss angesichts der Haushaltslage sparen. Bei der Erneuerung des Fuhrparks der Polizei müsse sie den Rotstift ansetzen, und die Bodycams würden auch nicht in dem Umfang kommen wie geplant, kündigte Spranger jetzt an. Nur über die versprochene Anschaffung von 250 Elektroschockgeräten für den flächendeckenden Einsatz durch die Polizei verlor sie dabei auffälligerweise kein klagendes Wort.

Aus gutem Grund, denn die von Spranger seit Langem mit Nachdruck beworbene Großinvestition in sogenannte Taser ist längst abgeschlossen. Das geht aus einer Antwort der Innenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Vasili Franco hervor, die der taz exklusiv vorliegt.

Demnach waren Ende April von den 700.000 Euro, die für Taser im Doppelhaushalt 2024/25 zur Verfügung stehen, schon rund 645.000 ausgegeben. Zugleich heißt es für die Polizei vorerst weiter: Warten auf die Waffen. Angekommen sind die 250 Taser jedenfalls nach Angaben der Innenverwaltung noch nicht.

Nach wie vor beschränkt sich die Verfügbarkeit somit auf jene 25 Taser, die auch schon zuvor bei ausgewählten Dienstabschnitten und der Brennpunkt- und Präsenzeinheit im Einsatz waren. Oder eben nicht im Einsatz waren.

Denn auch das zeigt die Antwort aus Sprangers Haus: Seit Anfang 2023 gab es lediglich drei Polizeieinsätze, bei denen ein Taser ausgelöst wurde, bei einem weiteren Einsatz wurde damit gedroht. Zwischendrin blieben die Geräte über ein halbes Jahr lang ungenutzt. Aber das will die schwarz-rote Koalition schließlich ändern. Ende vergangenen Jahres wurde von CDU und SPD dementsprechend auch für eine stadtweite Ausweitung des Elektroschocker-Einsatzes das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) novelliert.

Damals wie heute wurmt den Abgeordneten Franco, dass die Innenverwaltung eine zugesagte Evaluation des Taser-Einsatzes auf die lange Bank schiebt. Weder liege eine Bewertung vor, noch sei sie in Arbeit, kritisiert der Innenexperte der Grünen-Fraktion. Die „Taser-Faszination“ der Koalition entpuppe sich damit, so Franco, „als ein sicherheitspolitisches Vorhaben ohne Substanz“.

Tatsächlich verweist die Innenverwaltung darauf, dass eine Evaluation „auf einer breiteren Datengrundlage“ noch aussteht. Eine Bewertung des Einsatzmittels Taser sei aber immerhin „im Rahmen der laufenden Erprobungsphase auf Grundlage einer statistischen Wirksamkeitsbeobachtung“ erfolgt.

Seit Anfang 2023 gab es lediglich drei Polizeieinsätze, bei denen ein Taser ausgelöst wurde

Das sei extrem dünn, findet Franco. Zumal die geringe Zahl der Tasereinsätze in der Vergangenheit kaum valide Aussagen zur vermeintlichen Wirksamkeit zuließen. Für Franco steht daher fest: „Ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage wurde der Taser für die Berliner Polizei zur absoluten Notwendigkeit erklärt.“ Dass es sich „um potenziell tödliche Waffen“ handele, werde bewusst ignoriert, so Franco zur taz.

Die Innensenatorin will davon freilich nichts wissen. Taser seien „keine Waffen“, wiederholt Spranger am Mittwoch bei der Vorstellung des Sicherheitskonzepts für die Fußball-EM noch einmal ihren eigenen Merksatz.

Schon vor der Asog-Novelle hatte sie Hinweise von Po­li­zei­ex­per­t:in­nen auf die in den USA registrierten jährlich über 50 Todesfälle nach einem Taser­einsatz vehement abgebügelt. In den USA, so Spranger im vergangenen Herbst, würden Po­li­zis­t:in­nen ja auch anders ausgebildet als in Deutschland: „Da vergleiche ich mich doch nicht mit Amerika.“