Olaf Scholz in Litauen: Panzer statt Weltbühne

Bundeskanzler Olaf Scholz ist auf Truppenbesuch in Litauen. Er will zeigen, dass er die neue deutsche Rolle für den Schutz des Baltikums ernst nimmt.

Zwei Staatsmänner fahren auf einem Militärfahrzeug

Bundeskanzler Olaf Scholz, rechts, und Litauens Präsident Gitanas Nauseda fahren auf einem gepanzerten Militärfahrzeug Foto: Mindaugas Kulbis/ap

VILNIUS/PABRADE taz | Im Hintergrund vor einem Wald stehen drei Radpanzer: ein litauischer, ein deutscher, ein französischer. Je vier Soldaten sind davor postiert, mit geschwärzten Gesichtern und Maschinengewehren im Anschlag. Für die zivile Bundesrepublik ist das ein recht martialischer Hintergrund für einen Kanzlerauftritt. Olaf Scholz, in Jeans und Regenmantel, steht vor den Panzern auf dem Truppenübungsplatz Pabrade in Litauen. Er besucht das Nato-Manöver Quadriga. Und redet mit Litauern über die Bundeswehr-Brigade, die hier stationiert werden soll. Es geht vor allem um Geld.

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda – einen Kopf größer als der Kanzler – dankt „Deutschland für die Brigade“. Man fühle sich in Litauen direkt von Russland bedroht. Und wollte unbedingt, dass Berlin Ja zur Brigade sagt. Nauseda verspricht, die „bestmöglichen Bedingungen für die deutschen Soldaten und ihre Familien zu schaffen.“ Das ist nicht trivial. Ein Grund, vielleicht der wesentlichste Grund dieser Reise ist es auszuhandeln, wie viel Litauen beisteuern wird. Und ob das Land Schulen, Kitas, Häuser zahlt. Deutschland wird die 5000 Soldaten starke Brigade rund 11 Milliarden Euro kosten. 2027 soll sie einsatzbereit sein. Dann kostet sie jedes Jahr 800 Million Euro.

Nauseda gilt als moderat und verbindlich, anders als Außenminister Gabrielius Landsbergis, der gern gegen Deutschland stichelt und einen drängelnden Ton anschlägt. Nauseda pfiff den Außenminister bereits zurück, als der von einem wahrscheinlichen russischen Angriff redete. Auf dem Truppenübungsplatz fordert der litauische Präsident von Scholz nun aber forsch „mehr Tempo“ bei der Etablierung der Brigade. Es gehe um „jede Minute“. Russland dürfe „nicht in Versuchung geraten“, im Baltikum zu zündeln. Macht schneller, lautet das Motto. Es ist ein fast undiplomatischer Wink an den Kanzler.

Scholz versichert, dass Deutschland „unverrückbar“ an der Seite Litauens stehe und „jeden Zentimeter verteidigen“ werde. Die Bundeswehr ist schon seit 2017 die führende Nato-Armee in Litauen. Die dauerhafte Stationierung der Brigade ist ein Zeichen: Deutschland wird faktisch eine Art Schutzmacht für das Baltikum. In der Bundesrepublik hat diese neue Rolle bislang kaum öffentliche Wellen geschlagen. Das kann sich allerdings mit dem Zoff um Geld und den Haushalt ändern.

Scholz: Seht her, was wir alles tun

Nausedas Forderung kontert Scholz kühl. Bei der Brigade gehe es „mit großem Tempo voran“. Mehr sagt er nicht. Dann wendet sich der Kanzler der Ukraine zu, die unter „Putins imperialistischen Größenwahn“ leide. Deutschland liefere für 28 Milliarden Euro Waffen an die Ukraine, mehr als alle anderen europäischen Länder zusammen. „Alle müssen noch mehr tun“, so Scholz. Der Verweis auf die Ukraine-Hilfe soll sagen: Litauen wird auch in der Ukraine verteidigt. Seht her, was wir alles tun.

Die Brigade in Litauen wird ein Novum. Dauerhaft stationierte Bundeswehrtruppen gab es in diesem Ausmaß noch nie, zudem ist Litauen ein mögliches Spannungsgebiet. Niemand weiß, was der russische Präsident Putin plant. Aber es ist kein deutscher Alleingang, sondern Teil der Nato-Strategie in Osteuropa. Die USA haben dauerhaft Soldaten in Rumänien und Polen stationiert. Rumänien plant für die US-Armee bei Cluj ein Areal, das doppelt so groß werden wird wie die US-Basis in Ramstein.

Aber: Dass Scholz sich am Montag morgen mit einem Radpanzer durch den sandigen litauischen Boden fahren lässt, ist ein politisches Zeichen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte Scholz eingeladen, zusammen den chinesischen Präsidenten Xi in Paris zu empfangen. Das wäre ein großer Auftritt auf der weltpolitischen Bühne gewesen. Der Kanzler wollte den lange vereinbarten Termin in Litauen jedoch nicht platzen lassen. Wohl auch, um die gereizten Nerven in Vilnius nicht zu strapazieren. Und um zu zeigen: Berlin nimmt die neue Rolle im Osten ernst.

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