Knochen und Lampen

Die Ausstellung über den Palast der Republik in Berlin ist nicht uninteressant. Doch warum muss sie ausgerechnet im Humboldt Forum laufen? Ist das nicht Siegerzynismus?

Die lichte Vorzeige­seite des ­Sozialismus, eröffnet 1976, abgerissen 2008: Foyer des Palastes der Republik Foto: Herbert Fiebig/bpk

Von Uwe Rada

Es ist wahrscheinlich ehrlich, wenn Hartmut Dorgerloh zugibt: „Der Palast steckt dem Humboldt Forum in den Knochen.“ Tatsächlich hat der umstrittene Abriss des Palastes der Republik 2008 nicht nur einen Phantomschmerz bei denen hinterlassen, denen er zu DDR-Zeiten als „Honeckers Lampenladen“ Ort des Vergnügens und des Verlustierens war. Der Abriss ging auch einher mit der zweifelhaften Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses, das seit 2020 vom Humboldt Forum bespielt wird, unter anderem mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asia­ti­sche Kunst.

Hartmut Dorgerloh hätte auch sagen können, der Palast gehe in der Schlosskopie um wie ein Gespenst. Doch dann fängt der Generalintendant des Humboldt Forums den kurzen Moment der Irritation wieder ein mit einer nichtssagenden Relativierung. „Schon seit 600 Jahren geht es an diesem Ort um Macht und Repräsentation, aber auch um Ohnmacht.“ Nichts Neues also, auch dem Bau des 1976 eröffneten und 1990 schon wieder geschlossenen Palastes steckte schließlich das erst 1950 gesprengte Stadtschloss in den Knochen.

„Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ heißt die nun eröffnete Ausstellung, die Dorgerloh der Presse vorstellte. 300 Exponate zeigt die große Sonderschau, darunter Willi Sittes Gemälde „Die rote Fahne“, das in der Galerie des Palastes hing. Sitte wurden neben 15 weiteren Malern beauftragt, für die Galerie Werke des So­zia­lis­ti­schen Realismus zu schaffen – und eine Antwort auf die Frage zu geben: „Dürfen Kommunisten träumen?“

Das – unideologische – Gegenstück zu den Gemälden in der Galerie war die von Reginald Richter und Richard O. Wilhelm entworfene, fünf Tonnen schwere Glas-Stahl-Plastik „Gläserne Blume“. Sie zierte im Palast das großzügige Foyer. Erstmals nach seiner Schließung sind Fragmente von ihr wieder zu sehen.

Freilich geht es bei dieser Ausstellung nicht so sehr darum, was sie zeigt, sondern dass sie überhaupt gezeigt wird. Ist das der Versuch, Wunden zu heilen oder dem Ort, an dem sich das Humboldt Forum befindet, postum gerecht zu werden? Dorgerloh sagt, weder wolle er den Abrissbeschluss infrage stellen noch den Palast „dämonisieren“ oder „idealisieren“. Vielmehr gehe es darum, „die Vergangenheit immer wieder neu zu verhandeln“ und einen „Ort zu schaffen, an dem man einander wieder zuhört“.

Für die ehemaligen Gegner des Abrisses und die Initiatorinnen einer Zwischennutzung des entleerten Betonbaus als „Volkspalast“ 2004 und 2005 ist das Zynismus. Schon ein paar Tage vor der Ausstellungseröffnung haben sich der Architekturprofessor Philipp Oswalt und Berlins Ex-Kultursenator Thomas Flierl mit einer Reihe von Aktivistinnen zu Wort gemeldet. „Solange es nicht zu einer Korrektur der äußeren Erscheinung des Bauwerks kommt“, schreiben sie in einer Stellungnahme, sei die Ausstellung „ein fadenscheiniges Feigenblatt“. Mit der äußeren Erscheinung ist unter anderem die christliche Symbolik an der Schlosskuppel gemeint, finanziert durch Spender auch aus der rechtsextremen Szene.

Doch die Schlosskopie scheint dem Humboldt Forum nicht in den Knochen zu stecken. Nicht ein Mal nahm Dorgerloh auf der Pressekonferenz das Schloss-Wort in den Mund. Es gehe vielmehr nur um die Erinnerung an den Palast, die mit dieser Ausstellung zu einem großen Programmschwerpunkt seines Hauses wird.

Nicht nur mit prominenten Gegnerinnen und Befürwortern des Abrisses hat das Team um Programmleiterin Judith Prokasky im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten gesprochen, sondern auch mit Mitarbeitern aus dem Palast, mit einstigen Besucherinnen, auch mit denen, die sich dem Ort demonstrativ fernhielten. Viola Borgwedel zum Beispiel, eine Mitarbeiterin in einer der Spreegaststätten im Kellergeschoss des Volkspalastes, sagt: „Ich wollte mich höher qualifizieren und wollte Restaurantleiter werden. Das wurde mir verweigert, weil ich kein Parteibuch hatte.“ Ritchie Barton wiederum, Keyborder der Band Silly, spricht darüber, welchen Spagat es bedeutete, im Palast aufzutreten. Im Backstagebereich sei dann aber alles „schwerst international“ gewesen. „Man hätte auch denken können, man ist in New York.“

So kommen 50 Zeitzeugeninterviews zusammen, die die Erinnerung an den Palast in die Gegenwart tragen und zumindest in diesem Sinn dem Untertitel der Schau gerecht werden. Sie stehen im Zentrum der Retrospektive, das verdeutlicht auch die Ausstellungsarchitektur. Über eine Rampe geht es zu einer weitläufigen Hörinsel. In der darf der Palast der Republik noch einmal sein, was er war: ein ambivalenter Ort zwischen Repräsentation und Unterhaltung, subventionierter Gas­tro­no­mie und beliebtem Treffpunkt.

Interessant ist die Recherche zum Verbleib zahlreicher Interieurs aus dem 1976 fertiggestellten Palast mit dem Volkskammersaal, dem Großen Saal, 13 Restaurants, einer Bowlingbahn, der Gemäldegalerie und dem Theater im Palast. Vieles davon wurde in den ersten Nachwendejahren verscherbelt. Erst 1996/97 haben das Bundesbauamt und das Landesdenkmalamt eine denkmalpflegerische Dokumentation in Auftrag gegeben, heißt es im Katalog zur Ausstellung. Grund dafür war der Beschluss, dass im Zuge der Asbestsanierung alle Gegenstände aus dem Palast entfernt werden mussten. Die „Gläserne Blume“ hat das nicht mehr in toto retten können. Was nun im Humboldt Forum zu sehen ist, sind ihre Reste. Normalerweise lagern sie im Depot des Deutschen Historischen Museums.

Der Palast darf noch einmal sein, was er war: ein ambivalenter Ort, Repräsentation und Unterhaltung

Auch die Glocke, mit der die erste frei gewählte Präsidentin der DDR-Volkskammer, ­Sabine Bergmann-Pohl, das ­Ergebnis der Abstimmung zum Beitritt zur Bundesrepublik bekannt gab, bleibt verschollen. Um sie vor dem Verlust zu bewahren, hatte Bergmann-Pohl die Glocke zunächst bei sich zu Hause aufbewahrt. Als ihr vorgeworfen wurde, sie habe die Glocke geklaut, gab sie sie in die Obhut eines Bonner Beamten. Später wollte sie Christoph Stölzl für das Deutsche Historische Museum haben, doch da war sie bereits verschwunden. Bergmann-Pohl, die ursprünglich gegen den Abriss des Palastes war, sagt heute, sie habe mit dem Humboldt Forum ihren Frieden gemacht.

Anderen fällt das schwerer. Zwar war einige Zeit zu hoffen, dass sich das Humboldt Forum von seiner Schlosshülle emanzipieren könnte. Das aber ist spätestens seit den Recherchen zu den rechtsextremen Spendern eine Illusion. Philipp ­Oswalt, der die Recherchen maßgeblich vorangetrieben hat, befindet sich nicht nur im Clinch mit Intendant Dorgerloh, sondern auch in einem Rechtsstreit mit dem Förderverein Berliner Schloss.

Und sicher wird nun auch die Frage auftauchen, ob die Ausstellung der Reste dessen, was der Abriss des Palastes übrig gelassen hat, nicht auch als Überheblichkeit der „Sieger“ gewertet werden kann. Vielleicht sogar als eine der kolonialen Gesten, deren Aufarbeitung das Humboldt Forum sich doch eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat.

„Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“: Hum­boldt Forum Berlin, bis 16. Februar 2025. Katalog: 35 Euro