Bundes Roma Kongress in Berlin: Kampf um Anerkennung

Es geht um den Kampf gegen Antiziganismus und um Selbstkritik bezüglich patriarchalischer Strukturen. Das wurde beim Bundes Roma Kongress deutlich betont.

Vor dem Internationalen Roma-Tag (8. April) weht vor der Berliner Justizverwaltung die Roma Flagge

Die Flagge der Roma: Himmel, Erde und ein rotes Chakra als Verweis auf die indische Herkunft der Sinti und Roma Foto: Fabian Sommer/picture alliance/dpa

BERLIN taz | Der dreitägige Bundes Roma Kongress, der am Pfingstwochenende im Grünen Salon der Berliner Volksbühne stattfand, wurde bewusst möglichst nah an den „Roma Resistance Day„ gelegt. Ein Tag des Gedenkens an den Aufstand von Sinti und Roma 1944 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Um die 6.000 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, versuchten damals, sich der SS entgegenzustellen.

Sandra Goerend vom Roma Center in Göttingen sprach von einem Tag, der für „Empowerment“ stehen würde. Und natürlich erinnert er auch ganz grundsätzlich an die Vernichtung von Sinti und Roma im Dritten Reich. Also an ein Verbrechen und einen Aspekt des Holocaust, dessen aus Sicht der Roma-Verbände, die es in Deutschland gibt, immer noch nicht ausreichend gedacht werde, wie auf dem Kongress mehrfach betont wurde.

Als ein Beispiel für den verbesserungswürdigen Umgang mit den Sinti und Roma als Opfergruppe im Dritten Reich wurde auf einem Panel das Sinti- und Roma-Mahnmal in Berlin genannt. Dieses gibt es seit 14 Jahren, es liegt etwas versteckt im Tiergarten. Vor vier Jahren wurde bekannt, dass es Pläne gibt, genau unter dem Mahnmal einen Tunnel für eine S-Bahn-Trasse zu bauen.

Anfangs hieß es, für die Bauarbeiten müsste das Mahnmal temporär abgebaut werden. Betroffenenverbände der Sinti und Roma protestierten, und nun soll es eine Baustelle unmittelbar neben dem Mahnmal geben, das an seinem angestammten Ort bleiben darf. Doch ein paar der Bäume, die zwingend Teil der Gedenkstätte seien, wie der inzwischen verstorbene Bildhauer und Gestalter des Mahnmals, Dani Karavan, meinte, müssen für den Bau der Trasse gefällt werden. Später soll es Nachpflanzungen geben.

Sandra Goerend machte klar, dass sie sich hier mehr Sensibilität gewünscht hätte, und sagte, die Pläne rund um das Mahnmal seien für sie symbolisch für das fehlende Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Sinti und Roma.

Aus der Zeitung erfahren

Susanna Kahlefeld von den Berliner Grünen sah das ähnlich. Sie sagte, als die Idee mit der geplanten S-Bahn-Trasse von der Politik diskutiert wurde, seien Selbstorganisationen der Sinti und Roma nicht einmal einbezogen oder auch nur informiert worden. Diese hätten von den Plänen erst aus der Zeitung erfahren. Es hätte außerdem andere Möglichkeiten für den genauen Verlauf der Trasse gegeben, aberdiese weiter zu verfolgen, dafür fehlte wohl am Ende der politische Wille. Jana Mechelhoff-Terezi von der Stiftung Denkmal in Berlin sagte, es gebe nunmehr nur noch eine denkbare Option, das Mahnmal vielleicht doch unangetastet zu lassen, und zwar eine Urheberrechtsklage vor Gericht. Die Tochter von Dani Karavan könne sich diesen Weg gut vorstellen, ob er erfolgsversprechend sei, das werde derzeit noch geprüft.

Die Sorgen und Nöte innerhalb der Communitys sind groß

Nicht gehört und von der Politik übergangen zu werden, dieser Eindruck scheint sich bei den Sinti- und Roma-Verbänden in Deutschland verfestigt zu haben. Das wurde auf dem Kongress nicht nur beim Thema Mahnmal deutlich. Die Sorgen und Nöte innerhalb der Communitys sind groß, davon zeugten die Diskussionsrunden. Antiziganismus sei verbreitet wie eh und je, erfuhr man wenig überraschend. Dazu kommt nun auch noch die Stärke der AfD und das Bekanntwerden deren Pläne einer sogenannten „Remigration“. Einige der Sprecher und Sprecherinnen diverser Roma-Verbände, die auf den Panels zu Wort kamen, machten deutlich, dass sie sehr genau wissen, wen die AfD mit als Erstes aus dem Land werfen würde, wenn sie denn könnte: natürlich die auch in breiten Schichten der deutschen Mehrheitsgesellschaft so unbeliebten Sinti und Roma.

Kern des Kongresses war der Umgang der Politik mit dem Abschlussbericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, dem UKA-Bericht, der vor drei Jahren vorgelegt wurde und der erstmalig in der BRD wissenschaftlich den mentalen und strukturellen Antiziganismus untersuchte. Seitdem hat sich an der Lage der Sinti und Roma in Deutschland, so könnte man die Diskussionen auf dem Bundes Roma Kongress hier zusammenfassen, kaum verbessert. Roma, von denen viele in mehreren Einwanderungswellen nach Deutschland kamen, etwa nach dem Zerfall Jugoslawiens und aktuell seit dem Krieg in der Ukraine, hätten kaum eine Lobby in Deutschland.

Historische Schuld

Trotz der historischen Schuld Deutschlands müssten sie sich weitgehend mit dem Status der Duldung zufrieden geben, und das auch über viele Jahre hinweg. Sie dürften nicht wählen, andauernd drohe die Abschiebung. Und mit den Plänen der Ampelregierung, Migranten und Migrantinnen schneller die Einbürgerung zu ermöglichen, würde es kaum Verbesserung geben. Wichtige Voraussetzung dafür, deutscher Staatsbürger zu werden, sei der Beleg, aktuell nicht auf das Bürgergeld angewiesen zu sein und einen Job zu haben. Doch viele Roma, so Kenan Emini vom Göttinger Roma Center, hätten in diesem Kreislauf aus Duldungsstatus und fehlender Fortbildung, wenn überhaupt nur schlecht bezahlte Mc-Jobs. Vielen sei das gar nicht richtig klar, sagte er, aber Frauen seien deswegen am stärksten von der Abschiebung betroffen, und das auch nach Verabschiedung des geplanten Einwanderungsgesetzes.

Die Roma in Deutschland wollen gehört und selbstverständlicher Teil des Land werden. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg zu gehen, wenn man etwa hört, was sich jemand wie Jeany Poschauko-Seitz vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Bayern anhören muss. Bei einem Disput in einem Landratsamt wurde ihr gesagt, so berichtete sie auf einem der Panels: „Ihre Kultur und unsere passen halt nicht zusammen.“

Es gab aber auch Selbstkritik auf diesem Kongress. Patriarchalische Strukturen etwa seien in den Roma-Communitys immer noch weit verbreitet, wurde beklagt. Zur Stärkung der eigenen Sichtbarkeiten müssten die einzelnen Verbände in Zukunft besser zusammenarbeiten. Mit dem Berliner Roma Kongress, so hieß es von der Bühne des Grünen Salons, verfolge man auch diesen Gedanken.

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