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Das Ding am Deich. Vom Widerstand gegen ein Atomkraftwerk Deutschland 2012, R: Antje Hubert

Die weite flache Wilstermarsch. Ein Schwenk über die Weiden. Aufgenommen vermutlich mit einer Super-8-Handkamera, vor dem Oktober 1976. Verwaschene Farben. Eine Menschentraube schart sich um einen Mann mit Megafon, der gegen den geplanten Bau des AKW redet. Schnitt. Natostacheldraht auf massiven Stahlzäunen, ein Wassergraben, hundertschaftenweise Polizei mit Helm und gezücktem Knüppel. Es ist der gleiche Ort, ein paar Wochen später.

Mitten in der Nacht kamen die schweren Baufahrzeuge, mit dabei: Polizei, BGS mit Panzerfahrzeugen: „Ich bin aufgewacht, als plötzlich schwere Fahrzeuge direkt hinterm Haus am Deich entlang fuhren“, erzählt ein Bäuerin: „Mein Mann ist gleich hingefahren und konnte nicht glauben, was er sah“. Der Bauplatz des AKW war von der Staatsgewalt und der Atomindustrie in einer Nacht-und Nebel-Aktion zu einer Festung ausgebaut worden. Marlene und Ali Reimers, Brokdorfer MilchbäuerInnen, waren von Anfang an dabei waren im Widerstand. Die Regisseurin Antje Hubert hat 2010 die beiden Reimers in ihrem Wohnzimmer interviewt, im Alltag begleitet. Bei den Kühen auf der Weide ebenso wie bei der monatlichen Mahnwache am Tor des AKW. „Das Ding am Deich“ porträtiert sie und einige ihrer MitstreiterInnen, lässt sie erzählen, wie es damals so war, sie Ordner voller Flugblätter und alte Transparente hervorholen. Keine Dorfidylle tut sich hier auf – sie haben mit hohem Einsatz gekämpft. Ostentativ wurden sie von Zivilpolizisten beschattet, die sich an der Hofeinfahrt aufgebaut hatten. „Welche Nummer hatte der Hof von Marlene und Ali noch mal im Polizeifunk?“

Noch heute kommen einer alten Bäuerin die Tränen in die Augen, wenn sie erzählt, wie der Kaufmann sie in seinem Laden beschimpft hat: „Euch sollte man alle am nächsten Baum aufhängen.“ Die Regisseurin fokussiert sich auf die alten KämpferInnen. Den städtischen, radikal linken Widerstand lässt sie weitgehend außer Acht – abgesehen von den spektakulären Bildern der militanten, gemeinschaftlichen Versuche, den AKW-Bauplatz zu besetzen und sich gegen die Polizei zu wehren. Diese Fokussierung bleibt unerklärt im Film. Leider werden die Härten beim Umgang in der Dorfgemeinschaft, die Autoritätshörigkeit und Fortschrittsgläubigkeit der Mehrheit wenig thematisiert. Eine weitere Schwäche des Filmes ist, dass der Umgang mit dem historischen Filmmaterial nicht benannt wird. Eine Benennung der Quellen hätte den Film in die reichhaltige Tradition der Dokumente über den Widerstand gegen Atomkraft gestellt. „Das Ding am Deich“ ist eine wichtige Ergänzung zu ihnen. Es ist spannend und auch bewegend zu sehen, wie die gealterten AKW-GegnerInnen ihren Widerstand weiterleben.  Gaston Kirsche

Hamburg-Premiere während der 9. Dokumentarfilmwoche Hamburg: Fr, 13. 4., 21.15 Uhr, Metropolis, Kleine Theaterstraße 10, Hamburg