gastkommentar zur allgemeinen sekundarschule
: Ein Ass für Nordrhein-Westfalen

Der Strukturvorschlag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) ist klug und kommt gerade rechtzeitig. Noch bevor sich CDU und FDP in ihrem Regierungshandeln auf ideologisch motivierte Strukturpläne festlegen konnten, konfrontiert sie das gutachterlich untermauerte Konzept des VBE mit unliebsamen Tatsachen. Nicht der politische Gegner, sondern eine eher konservative Lehrergewerkschaft macht unmissverständlich deutlich, dass die neue Landesregierung, wenn sie NRW bildungspolitisch „nach vorne“ bringen will, eine Antwort auf die Strukturschwäche des gegliederten Schulsystems schuldig ist.

Das Gutachten belegt: Eine Zementierung der starren Schulstrukturen kann die unsoziale Verteilung der Bildungschancen nicht lösen. Sie verschärft eher das Problem der im internationalem Maßstab viel zu geringen Bildungsbeteiligung und hohen Schulversagerquote von Schülern aus bildungsfernen Schichten. Zudem wird das Festhalten an herkömmlichen Schulstrukturen bei sinkenden Schülerzahlen auch in NRW zu einer massiven Gefährdung bzw. Auflösung von Schulstandorten und bedrohlichen Ausdünnung der Angebotsstruktur im ländlichen Raum führen. Letzteres haben auch CDU-geführte Gemeinden längst erkannt und fordern seit langem pragmatische schulrechtliche Lösungen jenseits der „heiligen“ Dreigliedrigkeit.

Der schrille Schlachtruf gegen die „Einheitsschule“ im Wahlkampf prallt an dem VBE-Vorschlag glatt ab. Dem VBE geht es mit der Allgemeinen Sekundarschule (AS) um die bestmögliche individuelle Förderung aller Schüler in unterschiedlich ausgestalteten Modellen, die vor Ort entschieden und verantwortet werden. Gleichzeitig greift dieser Vorschlag das schleswig-holsteinische Konzept der Gemeinschaftsschule auf und kann sich so der Zustimmung und Unterstützung zahlreicher Verbündeter in NRW für eine pädagogische und strukturelle Transformation des Schulsystems sicher sein.

Die CDU tut gut daran, den Vorschlag ernsthaft zu prüfen. Sie hat jetzt die historische Wahl zwischen dem „Schwarzen Peter“ und dem Ass. Wählt sie mit der AS das Ass, kann sie behutsam und weitsichtig eine umfassende Schulreform mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung einleiten, zu der die SPD in NRW in jahrzehntelanger Regierungsverantwortung weder die Mut noch die Kraft hatte. BRIGITTE SCHUMANN