Klatsche für Klinsmann

Kreuzberg ist jetzt offiziell Fußball-WM-Kiez: Bundestrainer Jürgen Klinsmann und Innenminister Otto Schily stellten das Konzept für das Straßenfußball-Festival 2006 vor. Beim Testspiel gegen die Heimmannschaft sah der Nationalcoach alt aus

VON CHRISTO FÖRSTER

Wie selbstverständlich legt einer der verschwitzten Jugendlichen den Arm um die Bezirksbürgermeisterin. Cornelia Reinauer (PDS) ist an diesem drückend warmen Samstagvormittag sehr nah dran am Bürger, auch wenn sie in ihrem roten Sommerkleid etwas fehl am Platz wirkt. Ein paar Fußballerkörper weiter lächeln Bundestrainer Jürgen Klinsmann und sein Assistent Joachim Löw in die Kameras. Mit Mannschaftsfotos kennen Bundestrainer sich besser aus als Lokalpolitikerinnen.

Wenn Klinsmann derzeit irgendwo auftaucht, dann geht es eigentlich immer um die Fußball-WM 2006. Das ist auf dem Bolzplatz in der Kreuzberger Körtestraße nicht anders. Nur steht an diesem Tag nicht das deutsche Nationalteam im Fokus, sondern der Straßenfußball. Das gemeinsame Spielchen mit Kids aus dem Kiez dient der Präsentation einer Idee, die von der Berliner Organisation „streetfootballworld“ entwickelt wurde: Parallel zur Endphase der WM wird Anfang Juli 2006 das weltweit erste Straßenfußball Festival stattfinden – in Kreuzberg. 24 Länder werden dabei sein, repräsentiert durch ausgesuchte Straßenfußballprojekte.

In einer Container-Arena auf dem Mariannenplatz und auf Bolzplätzen wird dann das weltbeste Straßenfußballteam ermittelt. Gleichzeitig soll die Kultur der jeweiligen Länder Teilnehmern und Zuschauern näher gebracht werden. Zu den Unterstützern des Events zählen neben Klinsmanns Stiftung Jugendfußball auch die Bezirks- und die Bundesregierung.

Klinsmann lobte am Samstag auf der vorangegangenen Pressekonferenz die integrative Kraft des Fußballs: „Das tägliche, ungezwungene Spielen hält nicht nur von Drogen und Kriminalität fern, es lehrt auch Toleranz.“ Außerdem würden langfristig die Vereine und damit der DFB davon profitieren, wenn Jugendliche auf der Straße ihre Liebe zum Kicken entdeckten.

Weil mit der Sprache Fußball so viele Menschen erreicht werden – und wohl auch, weil plötzlich Wahlkampf ist –, nahm sogar Innenminister Otto Schily (SPD) an der Pressekonferenz teil. Schließlich ist das Straßenfußball-Festival Teil des offiziellen Rahmenprogramms der Fifa-Weltmeisterschaft. „Wir bringen das beste Kunst- und Kulturprogramm auf den Weg, das es je bei einer WM gegeben hat“, sagte Schily. Rund 30 Millionen Euro lässt die Bundesregierung sich das kosten. 300.000 Euro davon gehen an das an das Straßenfußballprojekt. „Kreuzberg mit seinen sozialen Brennpunkten ist genau der richtige Ort für dieses Event“, so Schily weiter.

Als es später auf dem Bolzplatz in der Körtestraße richtig sportlich wird, ist der Innenminister nicht mehr dabei. Cornelia Reinauer, die sich von dem Straßenfußball-Festival einen Imagegewinn für ihren Bezirk und positive Effekte für die Sozialarbeit verspricht, hält länger aus. Nach dem Mannschaftsfoto flüchtet sie aber schnell hinter die Bande in die Zuschauerposition und überlässt das Spielfeld den meist türkischen Jugendlichen des Fußballprojekts „Kick Kreuzberg“, die Klinsmann und Co. 15 Minuten lang durch die Hitze treiben. Wenn es in den nächsten Monaten gut läuft, dann dürfen die Freizeitkicker beim Straßenfußball Festival dabei sein. Neben einem deutschen Team soll auch ein Kreuzberger Sozialprojekt antreten, das aber noch über eine Qualifikationsrunde ermittelt werden muss.

Als sein Team zurückliegt und der Moderator die letzte Spielminute ankündigt, erwacht in Klinsmann der Ehrgeiz: „Nichts da, wir spielen bis zehn.“ Immer öfter zieht es den ehemaligen Nationalstürmer auf einmal dahin, wo er so lange zu Hause war: vor das gegnerische Tor. Ohne Erfolg. Das Spiel endet 10:7. Der Bundestrainer hat verloren.