Kühl gekontert

AUFKLÄRUNG Im HRE- Untersuchungsausschuss musste Finanzstaatssekre- tär Jörg Asmussen Rede und Antwort stehen. Er lobte das Krisenmanagement der Regierung

Freimütig gibt Asmussen zu, dass er die Prüfberichte der Bankaufsicht nicht gelesen hat

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Nur selten sind Staatssekretäre bundesweit bekannt. Aber Jörg Asmussen hat es zu ungewolltem Ruhm gebracht. Denn zumindest für die Opposition ist klar, dass der 42-Jährige zu den Hauptversagern in dieser Finanzkrise gehört. Am Mittwoch wurde er daher vor den Untersuchungsausschuss zitiert, der die Rettungsaktionen für die Pleitebank Hypo Real Estate (HRE) durchleuchtet.

Asmussen ergreift die Chance, die diese Vorladung bedeutet. Er gibt eines der längsten Eingangsstatements ab, die im Ausschuss je vorgetragen wurden. Fast eine Stunde redet er. Er spricht ruhig und konzise und hat einen Sinn für dramatische Pausen.

Chronologisch schildert er, wie sich die HRE-Krise zuspitzte. Die Bank war in eine dramatische Schieflage geraten, weil ihre irische Tochter Depfa langfristige Staatskredite kurzfristig refinanziert hatte. Dieses riskante Geschäftsmodell brach zusammen, als nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers keine kurzfristigen Kredite mehr zu erhalten waren. Denn die Banken trauten sich gegenseitig nicht mehr; der Kreditmarkt trocknete vollständig aus.

Vom 26. bis 28. September 2008 kam es dann zu einem hastig einberufenen Rettungswochenende in Frankfurt, wo sich die Spitzen der Banken mit der Bankenaufsicht Bafin und der Bundesbank trafen. Als Vertreter des Bundes reiste Asmussen erst am Sonntagnachmittag an, was die Opposition deutlich zu spät findet – musste doch eine Lösung gefunden werden, bevor die Börse in Tokio am Montag öffnete.

Asmussen bleibt bei einer Verteidigungsstrategie, die auch schon andere Regierungsvertreter benutzt hatten: Durch Abstinenz habe der Bund Druck auf die Banken ausüben wollen, dass sie sich ebenfalls an dem Rettungspaket beteiligen. Am Ende erklärten sich die Institute bereit, ein Verlustrisiko von 8,5 Milliarden Euro zu tragen.

Es schult alle Beteiligten offensichtlich, dass der Untersuchungsausschuss bereits zum 21. Mal tagt. Argumente und Gegenargumente sind längst erprobt.

Ein weiterer Vorwurf der Opposition: Asmussen sei unvorbereitet angereist; noch nicht einmal einen Juristen hätte er dabeigehabt. Kühler Konter: „Niemand im Verhandlungsraum hatte einen Anwalt bei sich.“

Aber die Opposition setzt nach: Hätte er nicht viel früher wissen müssen, dass die HRE auf die Pleite zusteuert? Freimütig gibt Asmussen zu, dass er die Prüfberichte der Bankaufsicht nicht gelesen hat – weil dies gar nicht zu seinen Aufgaben gehöre. Inzwischen hat er sie durchgesehen, doch auch „ex post“ findet der Finanzstaatssekretär, dass die „Kenntnisse dieser Berichte nichts an meiner Einschätzung der Situation geändert“ hätte. Denn im Ton seien Berichte keineswegs alarmierend ausgefallen. „Niemand hat mit der Insolvenz einer systemrelevanten Bank gerechnet. Die Eintrittswahrscheinlichket war null.“ Bis die USA Lehman Brothers pleitegehen ließen – zum fassungslosen Erstaunen der Bundesregierung.

Wie alle befragten Beamten findet auch Asmussen, dass die HRE-Rettung „alternativlos“ gewesen sei. Zudem hätte sie „nicht isoliert“ stattgefunden. Zeitgleich wurde auch über die Rettung der Benelux-Bank Fortis, der französisch-belgischen Dexia sowie der britischen Bradford & Bingley verhandelt.

Es war die vorletzte Sitzung des Untersuchungsausschusses. Zum Abschluss wird am Donnerstag SPD-Finanzminister Peer Steinbrück befragt. Es ist wenig wahrscheinlich, dass er zu einem anderen Fazit kommt als sein Staatssekretär Asmussen, der mit einem Selbstlob endete: Die Regierung hätte einen „anständigen Job gemacht“.

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