Hassmail aus Bad Lausick

HOMOPHOBIE Eine vermeintliche FDP-Stadträtin aus Sachsen beschimpft den Grünen-Politiker Volker Beck in einer Mail. Die Frau ist seit 2010 nicht mehr Mitglied, beteuern die aufgeschreckten Freidemokraten

BERLIN taz | Homophobe Schmähungen sind für Volker Beck nichts Neues. Regelmäßig erhält der Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion Hassmails. Doch die Nachricht, die am 29. März einging, war speziell: Er solle sich künftig überlegen, ob er nach Russland fahre, schrieb eine Cordula Drechsler an den Grünen, der sich mehrfach in Russland auf Demos für die Rechte Homosexueller starkgemacht hat. Die Frau ließ ihrem Hass freien Lauf: „Auch in Deutschland dürfte Ihr Leben schwerer werden, mal abgesehen im (noch nicht) von Muslimen komplett dominierten Berlin.“ Das Besondere: Drechsler, die sich mit „heterosexuellen Grüßen aus dem erzkonservativen Freistaat Sachsen“ verabschiedete, sitzt im Stadtrat des sächsischen Ortes Bad Lausick – angeblich in der FDP-Fraktion. So steht es jedenfalls auf der offiziellen Homepage der Stadt. Dass Drechsler tatsächlich die Verfasserin ist, bestätigte sie laut Beck auf Nachfrage seinem Büroleiter.

Volker Beck schrieb daraufhin einen Brief an den FDP-Parteivorsitzenden Philipp Rösler: Einen solch homophoben Ton kenne er sonst nur von Websites wie kreuz.net und Neonazis. Er forderte Rösler auf, Drechsler aus der FDP-Fraktion in Bad Lausick zu werfen. Tags darauf antwortete FDP-Generalsekretär Patrick Döring: „Ich bin über die Art der verbalen, unmenschlichen und zutiefst unliberalen Entgleisungen entsetzt.“

Auch Döring hat recherchiert. Er teilte mit, dass Drechsler seit 2010 kein Mitglied der FDP mehr sei. Aufgeschreckt veröffentlichte auch der Landesverband Sachsen eine Pressemitteilung. Auch Drechslers einziger Fraktionskollege in Bad Lausick sei seit mehr als acht Jahren kein FDP-Mitglied mehr, schrieb der Generalsekretär des Landesverbandes, Torsten Herbst, am Donnerstag. Beide maßten sich „widerrechtlich und gegen den ausdrücklichen Willen der Partei“ an, als FDP-Fraktion aufzutreten. Kurz nach Bekanntwerden der Äußerungen habe man reagiert und werde alle juristischen Mittel ausschöpfen, damit sie diesen Eindruck nicht mehr erwecken.

Nun stellt sich die Frage, warum die FDP vor Ort toleriert, dass zwei Lokalpolitiker jahrelang fälschlicherweise im Stadtrat unter dem Parteinamen auftreten können. Eine Antwort ließ sich am Karfreitag nicht finden. Weder die Stadt Bad Lausick war telefonisch erreichbar noch der FDP-Landesverband Sachsen. Die Chefin des Kreisverbands Leipziger Land-Muldental lehnte eine Stellungnahme auf taz-Anfrage ab. ULRICH SCHULTE