„Kony 2012“ reloaded: Schon wieder ein Warlordvideo

UGANDA Nachdem ein US-Video über den ugandischen Rebellenführer Joseph Kony zum Klickmonster wurde und auf Protest stieß, wollen die Autoren jetzt mit einem Folgevideo die Kritiker besänftigen. Diesmal stehen Ugander im Mittelpunkt, nicht Amerikaner

„Eine militärische Lösung allein funktioniert auch nicht“

INVISIBLE CHILDREN

AUS KAMPALA SIMONE SCHLINDWEIN

Noch nie war ein Video auf YouTube so häufig angeklickt worden wie die Dokumentation „Kony 2012“ über den ugandischen Warlord Joseph Kony, Anführer der gefürchteten Rebellenorganisation LRA (Widerstandsarmee des Herrn). Über 100 Millionen Klicks hatte der Film der US-Kinderrechtsorganisation Invisible Children in wenigen Tagen eingefahren. Doch auch noch nie hagelte es so viel Kritik über ein Internetvideo. Und jetzt: eine weitere 20-Minuten-Doku über Joseph Kony.

Immerhin, die Gründer von Invisible Children haben sich die Kritik zu Herzen genommen. Das am Donnerstag veröffentlichte zweite Video beginnt mit Ausschnitten von kritischen Berichten über das erste Video: „Zu vereinfachend“; „die wissen doch nicht, worüber sie reden.“ Dann erklärt Invisible Children, man habe sehr wohl Ahnung.

Kritikpunkt Nummer eins, die drastische Vereinfachung des LRA-Konflikts, wird gleich zu Beginn abgeschmettert. „Der Konflikt ist komplex, sonst würde er nicht 26 Jahre lang andauern“, erklärt Jolly Okot, die ugandische Vertreterin von Invisible Children. Okot war bis 2008 in die Friedensverhandlungen zwischen Ugandas Regierung und LRA involviert. Sie wird im Laufe des zweiten Videos zur eigentlichen Heldin der Invisible-Children-Kampagne: eine Uganderin vor Ort, die den Opfern direkt unter die Arme greift. Damit wird dann gleich Kritikpunkt Nummer zwei aus der Welt geschafft: der Vorwurf, das Video glorifiziere „weiße Heilige“, die den „schwarzen Bösewicht“ stellen wollen.

Gleich zweimal wird diesmal erklärt, dass die LRA auch in der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik und angrenzenden Teilen Südsudans wütet. Dieser regionale Kontext wurde im ersten Teil komplett ausgeblendet, es wurde Uganda als Bürgerkriegsland dargestellt, dabei herrscht dort seit 2006 Frieden. Im neuen Video sieht man nun Nordugandas Provinzhauptstadt Gulu als Stadt im Wirtschaftsboom.

Kein Wunder, dass die Filmemacher für das zweite Video in Norduganda Unterstützung finden, während das erste dort noch für Protest sorgt. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Norbert Mao, der selbst aus der Region stammt, sagt jetzt in die Kamera: „Dieses Video fesselt dich und zwingt dich einfach dazu, aufmerksam zu werden.“

Das Fazit von Invisible Children diesmal: „Eine militärische Lösung allein funktioniert auch nicht.“ Deswegen hätten sich die Aktivisten diese Videokampagne ausgedacht. Das Ziel: den politischen Druck erhöhen, um Kony zu schnappen. Dies sei gelungen, behaupten die Filmemacher. Kurz nach Veröffentlichung des ersten Videos beschloss die Afrikanische Union (AU), eine multinationale Eingreiftruppe von 5.000 Mann in den Busch zu schicken, um die LRA zu jagen – so die Selbstbeweihräucherung der Aktivisten.

Doch in Wirklichkeit debattierte die AU darüber schon seit vielen Monaten. Letztlich ist der jüngste Beschluss ein Versuch, Informationen zwischen Ugandas und Kongos Armee zu teilen, die zwar beide die LRA jagen, dabei aber nicht kooperieren.