LESERINNENBRIEFE
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Keine sachliche Diskussion

■ betr.: „Grass-Gedicht sorgt für Empörung“, taz vom 5. 4. 12

Wieder einmal zeigt sich, dass man in Deutschland keine sachliche Diskussion über Israel führen kann. Viele Protagonisten sind noch immer Gefangene der Vergangenheit und einer kritischen Auseinandersetzung mit der Politik der israelischen Regierung von Benjamin Netanjahu deshalb nicht fähig. Was hat denn der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass schon gemacht? Er hat Realitäten geschildert, wenn auch vielleicht etwas verzerrt, vor denen man nicht die Augen verschließen sollte. Auch ich mache mir, seitdem Netanjahu in Israel regiert, große Sorgen über die israelische Außen- und vor allen Dingen Siedlungspolitik. Die Gefahr, die vom Iran ausgeht, blende ich dabei – ebenso wie Grass – keineswegs aus. Bezeichnend bei der ganzen hysterischen Auseinandersetzung über das Gedicht ist vor allen Dingen die Tatsache, dass die deutsche Politik fast einhellig – mit Ausnahme der Linken – Günter Grass in die antisemitische Ecke stellen will, während Kulturschaffende wie Klaus Staeck eher ein offenes Ohr haben und mehr sachlich argumentieren! THOMAS HENSCHKE, Berlin

Missverstanden

■ betr.: „Grass-Gedicht sorgt für Empörung“ u. a., taz vom 5. 4. 12

Grass hat sich in seinem Text ja viel Mühe gegeben, nicht missverstanden zu werden. Aber mit Klaus Hillenbrand und Micha Brumlik hat er nicht gerechnet. Er ist nun also doch Antisemit (Hillenbrand), ja schlimmer als ein Antisemit (Brumlik).

Mich wundert nur, dass die vor einigen Wochen veröffentlichte CIA-Analyse zur Frage der iranischen Atombombe nicht ebenso kommentiert wurde. Auch die CIA ist antisemitisch, versteht nichts von der politischen Lage im Nahen Osten, hat sich ins Abseits gestellt etc!

Und wäre die CIA nicht ein klein wenig wichtiger gewesen als Grass, der ja angeblich nur seine eigene Bedeutung überschätzt?

HERBERT BREGER, Hannover

Antihumanismus

■ betr.: „Der alte Mann und das Stereotyp“, taz vom 5. 4. 12

Die Kritik von Günter Grass an den deutschen U-Boot-Lieferungen an Israel hat feindliche Reaktionen bei CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD hervorgerufen. Ganz gleich, ob sie Gröhe, Polenz, Döring, Beck oder Nahles heißen, es ist erstaunlich, wie bedenkenlos sie alle dem deutschen Rüstungsexport in Krisengebiete nicht nur zusehen, sondern ihn unterstützen und dafür sorgen, dass er zum großen Teil aus der Staatskasse finanziert wird. Für die U-Boote an Israel zahlt der deutsche Staat fast zwei Milliarden Euro und zündelt somit im Nahostkonflikt mit. Die Kritik von Günter Grass ist kein Antisemitismus, aber die Haltung der genannten Parteipolitiker und anderer ist ein tiefer Antihumanismus. HARTMUT DREWES

Ein immerhin besorgter Grass

■ betr.: „Grass-Gedicht sorgt für Empörung“ u. a., taz vom 5. 4. 12

Darf das wahr sein: den Grass-Text nicht einmal abgedruckt? Leider ist die taz immer wieder in Gefahr, in Sachen der Politik Israels ängstlich-gefügig dem Mainstream der Medien und Politiker zu folgen. Traurig, wie sich die taz der allgemeinen höhnischen Herablassung gegenüber der Linken, den sogenannten Islamisten, dem Iran und nun auch Günter Grass anschließt. Das Gedicht enthält doch politische Tatsachenbehauptungen und Argumente, die aufzugreifen ein politisches Blatt zu seinem Selbstverständnis rechnen müsste. Die selbstgerecht-abwertenden Urteile von Brumlik und Hillenbrand sind es, die eher überheblich-selbstüberschätzend klingen als die Sentenzen des hinter dem Pathos doch skrupelhaften und sich quälenden, immerhin besorgten Grass. HELLMUT VOGEL, Kiel

Es gibt keine gerechte Atombombe

■ betr.: „Der an seiner Schuld würgt“, taz vom 5. 4. 12

Das geht ja gar nicht, was ihr hier macht. Veröffentlicht das Gedicht in vollem Wortlaut, damit sich eure Leser selbst ein Bild machen können über das, was Grass umtreibt und was er in seinem Gedicht veröffentlich hat. Neben den offiziellen Reaktionen auf das Gedicht lediglich einen Artikel von Micha Brumlik abzudrucken, ohne euren Lesern mitzuteilen, aus welchem Zusammenhang und mit welchem Hintergrund Brumlik Auszüge aus dem Gedicht benutzt, um Grass als noch schlimmer als ein Antisemit bezeichnen zu dürfen, ist unredlich. Vielleicht sollten endlich die Menschen in der Region, ob sie nun jüdischen oder moslemischen Glaubens sind, in den Mittelpunkt rücken. Inzwischen hat der Konflikt dort nämlich eine neue Dimension – die atomare Bedrohung –, die nicht einseitig ist. Es gibt keine gerechte Atombombe! HILDE THEOBALD, Saarbrücken