PETER UNFRIED NEUE ÖKOS
: Freiheit mit Salami

Nach gewissen Vorfällen führen Penelope und die Macht ein offizielles Mutter-Tochter-Gespräch. Hallooo?

Am Schritt höre ich, wie Penelope sich in Höchstgeschwindigkeit Richtung Tür bewegt. Aber selbstverständlich nicht schnell genug.

„Wo gehst du hin?“ Die Macht wieder.

„Zu meiner Freundin“.

„Welche Freundin?“

„Von meiner neuen Schule. Kennst du nicht.“

Die Macht kommt in den Flur geschritten. „Eben“, sagt sie. „Wer ist sie? Wie heißt sie? Wo wohnt sie? Was machen ihre Eltern? Das muss ich als Mutter doch wissen.“

Penelope macht ein ihr angemessen erscheinendes Gesicht ob dieses brutalen Eindringens in ihre Privatsphäre. Einige Minuten und einige unfreundliche Worte später ist klar, dass sie in Mitte oder Friedrichshain wohnen muss.

„Wie jetzt: Mitte oder Friedrichshain?“ Die Macht ist hörbar gereizt.

Penelope ist auch hörbar gereizt. Und Adorno und ich sind auch schon ganz gereizt, denn wir verstehen kaum noch, was die Radioreporter Lebenswichtiges aus den Stadien zu berichten haben.

„Also, Penelope …“, sagt die Macht, und damit ist es ein offizielles Mutter-Tochter-Gespräch. So ginge das nicht, und man müsste doch zumindest die Telefonnummer der Eltern wissen.

„Hallo, du willst da doch nicht etwa anrufen?“, ruft Penelope ehrlich entsetzt.

„Im Notfall“, schnarrt die Macht. „Ich muss dich doch erreichen können.“

Hallo? Woher sie, Penelope, denn die Nummer kennen solle.

Sie sei 13 Jahre alt, das könne man ja wohl von ihr erwarten. Minimum. Und bis dahin solle sie gefälligst ihr Telefon immer eingeschaltet haben.

Ja, ja, alles klar.

Nach weiteren fünf Minuten wichtiger Ratschläge ist Penelope endlich zur Tür raus.

Noch mal fünf Minuten später wählt die Macht „Penelope mobil“ an.

Der angerufene Teilnehmer ist nicht zu erreichen.

Na ja, ich überspringe nun einige unangenehme Geschehnisse und blende wieder ein an dem Tag, als Penelope dann ihre neue Freundin aus der neuen Schule tatsächlich zu uns mitbringt beziehungsweise in ihr Zimmer schmuggelt. Als wir zu Abend essen, müssen sie rauskommen.

Die Kinder kriegen Pizza Margarita. Die Macht hat Pizza Vegetale. Und ich Pizza Romana. Mit vier Salamiteilchen drauf, aber echt mikroskopisch klein.

„Möchtest du vielleicht auch ein Stück von der Romana probieren“, frage ich unsere neue Freundin. Sie schaut mich erstaunt an.

„Hallo!“, kreischt Penelope.

„Was ’n?“

„Sie isst doch kein Fleisch.“

„’tschuldigung. Woher soll ich das denn wissen?“

Penelope und Adorno sehen sich an. Sie wollen grade losledern, als mich die Gott sei Dank noch hobbylosere Macht rettet.

„Wissen deine Eltern eigentlich, wo du bist?“, fragt sie unsere neue Freundin.

Angeblich ja.

„Aber sie kennen uns ja gar nicht“, insistiert die Macht.

Ja, deshalb habe sie ihnen unsere Telefonnummer geben müssen.

Als die neue Freundin raus ist, ruft die Macht Penelope in ihr Zimmer und zieht die „Siehst du, andere Kinder rhabarberrharbarber“-Nummer durch.

Dann ruft Penelope mich in ihr Zimmer und macht mich rund. Nie wieder wolle sie erleben, dass ich ihren Gästen fleischhaltige Gerichte anbiete. Das sei „oberpeinlich“. Ja, ja, jetzt muss ich wieder herhalten, weil sie sich an die Macht nicht rantraut. Typisch. Am Ende rufe ich mich in mein Zimmer und sage zu mir: Trotzdem, Alter: Was für ein Glück, dass du nicht die Mutter sein musst.

Der Autor ist Chefreporter der taz Foto: Anja Weber