Senat mauert gegen Bürger

Der Senat fordert höhere Hürden für Bürgerentscheide auf Bezirksebene, zum Beispiel mehr Bürgerbeteiligung. Damit stemmt sich die Regierung gegen parteiübergreifenden Gesetzentwurf

VON PHILIPP DUDEK

Bei der Einführung von Bürgerentscheiden auf Bezirksebene will der rot-rote Senat nicht ganz so viel Demokratie wagen wie das Parlament: Der Innenverwaltung liegt eine Stellungnahme von Senatoren von SPD und PDS vor, wonach die Latte für einen erfolgreichen Bürgerentscheid höher gelegt werden soll, als es SPD, PDS, Grüne und FDP in einem gemeinsamen Gesetzentwurf vorgeschlagen haben.

Die Stellungnahme, die der taz vorliegt, fordert ein Zustimmungsquorum von 10 Prozent für eine Entscheidung. Die einfache Mehrheit vorausgesetzt, heißt das, es müssten sich 20 Prozent aller Wahlberechtigten an der Abstimmung beteiligen. In dem Gesetzentwurf der Fraktionen ist eine Beteiligung von lediglich 15 Prozent vorgesehen (siehe Kasten).

„An dem Quorum gibt es nichts zu rütteln“, sagte der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann gestern. Das Gesetz sei ein Kompromiss, dem alle Fraktionen zugestimmt hätten. Er halte es deshalb für unwahrscheinlich, dass die Senatsänderung am Ende tatsächlich im Gesetzestext stehen wird. Viel mehr macht sich der Ratzmann Sorgen über den möglichen Themenausschluss, der ebenfalls in der Stellungnahme verlangt wird. Einige Themen wie Bebauungs- oder Landschaftsplanung wollen die Senatsmitglieder vom Bürgerentscheid ausnehmen.

„Die Beteiligungsrate von 15 Prozent ist ein Kompromiss, der gefunden wurde, um genau diesen Themenaussschluss zu verhindern“, sagte Ratzmann. PDS und Grüne hatten ursprünglich ein Beteiligungsquorum von 10 Prozent gefordert. In der SPD gab es auch Stimmen, die sich dagegen aussprachen, Bebauungspläne von einem Bürgerentscheid abhängig zu machen.

Auch beim Verein „Mehr Demokratie“ sieht man die Senatsstellungnahme kritisch. Gerade die Bauleitplanung gehöre zum Kernbestand der kommunalen Direktdemokratie, heißt es in einer Mitteilung des Vereins. „Es ist zu befürchten, dass dieser thematische Ausschluss auch in den Gesetzestext übernommen wird“, sagte Sprecher Christian Posselt. Der Grüne Ratzmann sieht das ähnlich: „Das wäre natürlich überhaupt nicht zu begrüßen.“ Es gebe ausreichend Möglichkeiten, die vorgebrachten juristischen Bedenken auf diesem Gebiet auszuräumen.

In der Stellungnahme aus dem Senat wird argumentiert, die BürgerInnen hätten bereits beim Planfeststellungsverfahren rechtlich festgelegte Mitspracherechte. Anschließend per Bürgerentscheid die Bebauungs- und Landschaftspläne zur Abstimmung zu stellen würde deshalb gegen Bundes- oder Landesrecht verstoßen. Ratzmann befürchtet jetzt, dass sich in dieser Legislaturperiode auch ein Bürgerentscheid auf Länderebene nicht mehr durchsetzen lässt: „Jetzt hätten wir eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus, es wäre der richtige Zeitpunkt – leider fehlen die Signale.“