Teuflisch süße Küchlein

EINKAUFEN In der Fabrik in Hamburg-Altona bietet ein alternativer Wochenmarkt besondere Produkte aus der Region an. Viel Selbstgemachtes ist darunter. Wer möchte, kann sich durch das Sortiment frühstücken

Auch für Schittek ist die Veranstaltung ein gewisses Figurrisiko, wie er zugibt

VON SOLVEJ LÜDKE

Halb zehn in Altona, blauer Himmel, Sonnenschein, der Frühling lockt nach draußen – Hungrige aber zieht es in das Veranstaltungszentrum Fabrik statt in den nächsten Park. Jeden Samstag findet hier seit einem halben Jahr die Markt-Zeit statt, eine Verschmelzung von Wochenmarkt und Nachbarschaftstreff.

Wo am Vorabend noch verschwitzte Konzertgänger tanzten, schieben sich jetzt Besucher entspannt von Stand zu Stand und lassen sich von Probierhäppchen ködern. Noch ist wenig los, die Standbetreiber haben Zeit zum Klönen und Kaffeetrinken. Sie lächeln. Im Hintergrund läuft Van Morrison vom Band.

Mittendrin der 28-jährige Organisator Max Schittek. Er eilt vom Obststand zum Nudelwagen, probiert einen neuen Sekt, grüßt eine Quiche-Verkäuferin. Er hat viel zu tun.

Der hauptberufliche Kaufmann organisiert zusammen mit seiner Schwester Marie Biermann den Indoormarkt. Das Konzept haben sich die Geschwister bei Neighbourhood-Markets in Südafrika und Australien abgeschaut, ihr Markt ist der erste seiner Art in Hamburg. „Ich bin passionierter Marktgänger“, sagt Schittek. Er sei „ein kulinarischer Typ“ und koche gelegentlich mit Tim Mälzer. Mit der Markt-Zeit hat er sich einen Markt nach seinem Geschmack geschaffen. „Wir wollen, dass die Gäste hier verweilen, das soll auch ein Treffpunkt sein“, sagt er.

Über dem Marktgeschehen, auf der Empore, frühstücken die ersten bereits an langen Holztischen. Sie haben sich Frühstückskörbe mit einem Best-of des Marktes gekauft: Käse aus der Schweiz, selbst gekochte Marmelade, Serranoschinken, Oliven, ein kleines Dessert im Weckglas und Brötchen aus dem Holzofen. Junge Familien sitzen neben Senioren, drumherum toben Kinder. Sie tragen Outdoorjacken, Comic-Shirts, Hornbrillen, Chucks und Pumps – ein buntes Publikum tummelt sich in der Fabrik. In aller Ruhe schlemmen sie und überblicken von der Empore aus den Markt.

„Die Produkte sind geil und die Leute dahinter auch!“, sagt Schittek. Vielleicht meint er damit Katharina und Hennig Lachmund von Glück im Glas. Im letzten Sommer haben die beiden geheiratet. Als Gastgeschenke verteilten sie Erdbeerlilly-Marmelade. Die kam so gut an, dass sie die in der eigenen Küche gekochten Marmeladen jetzt auf dem Markt anbieten. Sie sind sicher, dass die besonders lecker sind, „weil wir in jedes Glas ein bisschen von unserem Glück abfüllen“. Sie haben noch viel zum abfüllen, scheint es.

Vielleicht meint Schittek aber auch Conrad Heiderer von der Käppchen-Kuchen-Company. Ein „experiment in love“, wie er in schönstem Denglish sagt, verschlug ihn aus den USA nach Deutschland. Seitdem ist er Deutschlands erster Cup-Cake-Bäcker. Seine Küchlein, die nach Kindergeburtstag aussehen und teuflisch süß sind, verkauft Heiderer aus seinem Ape, einem dreirädrigen Rollermobil aus Italien.

Es ist elf Uhr, mehr Menschen stöbern an den Ständen. Schitteks Frau Jasmin hat die Bühne geentert und singt jazzige Interpreationen von Rihanna und Ray Charles. Die mitgebrachten Tragetaschen der Besucher sind bereits von Roggenbroten und Äpfeln aus dem Alten Land ausgebeult. Dass es jede Produktart an nur einem der gut 40 Stände gibt, erleichtert die Auswahl.

Bewusst setzt Schittek auch auf migrantische Verkäufer: Ein Franzose verkauft Wein, ein Spanier Schinken, ein Holländer Trockenfrüchte. Die Standgebühr ist niedrig. „Wir haben auch die Idee, Leuten Stände als Start-up-Möglichkeit zu geben“, sagt er. Die angebotenen Produkte müssen biologisch sein und nachhaltig produziert, am liebsten regional. Keine Massenprodukte – Qualität lautet die Devise.

So findet sich neben den kulinarischen Versuchungen auch Kunsthandwerk, Topfuntersetzer aus alten Skateboards zum Beispiel. Christoph Reimers verkauft in der Fabrik den ungewöhnlichen Hitzeschutz. Die meisten Boards, aus denen er die Untersetzer fertigt, hat er selber kaputt gefahren.

Den Markt hungrig zu verlassen, ist unmöglich, Bauchschmerzen sind wahrscheinlicher. Auch für Schittek sei die Veranstaltung ein gewisses Figurrisiko, gibt er zu. „Zwei Kilo habe ich schon zugenommen“, sagt er und schaut an sich herab. Das Risiko sollte man eingehen.