Meeresfrüchte von der Stange

AQUAKULTUR Regional und nachhaltig – Deutschlands erste Biomuscheln kommen ab November aus Kiel. Sie wachsen an der Leine

In der Kieler Förde hat Deutschlands erste Bio-Miesmuschelzucht den Betrieb aufgenommen. Fünf jeweils 100 Meter lange Leinen hat der Betreiber Ocean Basis dafür im Wasser des Sperrgebiets vor dem Marinefluggeschwader 5 in Holtenau gespannt. Hier docken in den Sommermonaten Muschellarven an und wachsen, bis sie im Winter des Folgejahres gepflückt werden. Im kommenden November gehen die ersten Biomuscheln aus Kiel in den Verkauf.

Eine Öko-Kontrollstelle aus Neumünster hat die Kieler Muscheln mit dem Bio-Siegel der Europäischen Union ausgezeichnet. 2009 wurden Meeresfrüchte aus Aquakulturen in eine Verordnung der Europäischen Kommission zur ökologischen und biologischen Haltung aufgenommen. Seitdem können Miesmuscheln mit einem offiziellen Bio-Label ausgezeichnet werden.

„Muscheln sind per se ein gutes Ökoprodukt“, sagt Stefan Holler vom ökologischen Anbauverband Naturland, „da kann man nicht viel verkehrt machen; Muscheln brauchen zum Beispiel keine Medikamente und kein zusätzliches Futter.“ In erster Linie komme es auf die Wasserqualität an.

Die stimmt in Kiel offenbar. Obwohl in der Förde reger Schiffsverkehr herrscht und Industrieanlagen die Küste säumen, ist der Schadstoffgehalt gemäß der entsprechenden Richtlinie unbedenklich, sagt Thorkild Petenati vom Landesamt für Landwirtschaft in Flintbek.

Yvonne Rößner von Ocean Basis sagt offen, dass die Kieler Biomuscheln in puncto Schadstoffbelastung nicht zwangsläufig besser sind als wild gefangene Miesmuscheln.

Was an den Muscheln dann bio ist? „Die Nachhaltigkeit der Produktion“, sagt Rößner und denkt vor allem daran, dass dabei keine Muschelbänke zerstört werden.

Wie wichtig die Nachhaltigkeit bei der Ernte von Meeresfrüchten ist, zeigt der im September 2011 von der schleswig-holsteinischen Landesregierung veröffentlichte Muschelbericht. Demnach sind in einigen Bereichen der Nordsee die Miesmuschelbestände um 90 Prozent zurückgegangen. Umweltverbände machen dafür die Miesmuschelfischerei verantwortlich. Wild gefangene Muscheln können nicht mit einem Bio-Siegel ausgezeichnet werden.  SOLVEJ LÜDKE