Zen ist ein Weg

Die Pastorin und Zen-Meisterin Gundula Meyer will mehr als nur den Glauben

taz: Frau Meyer, Sie sind Pastorin der Nordelbischen Kirche und Zen-Meisterin. Was sagt die Evangelische Kirche dazu?

Gundula Meyer: Als ich 1976 den Antrag auf drei Monate Extra-Urlaub stellte, um in Japan Zen zu machen, da hab‘ ich von meiner Kirche sogar ein Stipendium bekommen. Die Kirche war sehr beeindruckt, dass jemand so was machen wollte.

Das heißt, die Evangelische Kirche hat damit gar kein Problem?

Na ja, das war damals. Als ich dann sagte, ich will das jetzt intensiv machen, da gab es dann schon ein großes Zögern: „Muss es denn Zen sein?“ und so. Aber man hat mich schließlich beurlaubt, zunächst für drei Jahre und dann nochmal für drei Jahre – ohne wirklich zu wissen, wozu man mich da beurlaubt hat, glaube ich. Man hat mir einfach nichts Böses zugetraut. Und man wusste, dass ich überhaupt kein Interesse hatte, Buddhistin zu werden, sondern spirituell etwas für mich tun wollte.

Man kann Zen-Meisterin sein und keine Buddhistin?

Man muss unterscheiden zwischen Zen-Buddhismus, das ist eine Schule des Buddhismus wie andere auch, und Zen als einem spirituellem Weg. Dieser Weg transzendiert Christentum, Buddhismus und alle Religionen.

Und Sie selber kommen damit klar, Christin zu sein und Zen zu machen?

Für mich ist es zwischendurch mal ein Problem gewesen, als ich in Japan war die sechs Jahre, aber seitdem ist es kein Problem. Als Christin hab ich meine Wurzeln, in dieser Religion bin ich aufgewachsen, die ist mir nach wie vor sehr lieb. Beim Zen geht es nicht um religiöse Fragen. Bei der Religion geht es um den Glauben an Gott, und beim Zen geht es um die Frage: Wer ist Gott? Oder: Was ist Gott?

Mit dieser Position hätten manche evangelische Theologen aber vermutlich Probleme, oder?

Wahrscheinlich, obwohl die Frage von Philosophen und Theologen immer wieder gestellt wird.

Aber Sie suchen die Antwort im Zen.

Ich suche sie im Zen, weil es im Zen um Erfahrung geht. Das ist in der christlichen Kirche einfach zu kurz gekommen. Das war nur üblich bei Mystikern, dass sie von Erfahrungen sprachen.

Waren das nicht meistens Katholiken?

Nicht nur! Gerhard Teerstegen, Dag Hammarskjöld, das waren evangelische Mystiker, die Erfahrungen des Göttlichen hatten.

Haben Sie schon mal offiziell ein Befremden von Seiten der Kirche gespürt? Sie sind ja offiziell immer noch Pastorin.

Ich bin seit 1980 beurlaubt, das heißt, heutzutage kennt mich da kaum noch jemand. Und da ich auch nicht schreibe und selten an die Öffentlichkeit gehe, weiß man eigentlich nichts mehr von mir. Aber man macht sich auch nicht die Mühe, das herauszufinden, was ich mache. Ich werde von der Kirche eher ignoriert.

Sind Sie eher auf der Zen-Seite oder auf der evangelischen Seite?

Meine Wurzeln sind in der evangelischen Tradition. Mein Vater war Pastor, mein Großvater war Pastor, meine Onkel sind Pastoren und meine Brüder auch. Ich fühle mich manchmal wie eine Weide mit ganz tiefen Wurzeln, und weil die Wurzeln so tief sind, kann sie sich weit zur Seite beugen. Sie lesen die Heilige Schrift mit anderen Augen, wenn sie jahrelang Zen machen. Aber das ist eine Bereicherung und keine Gefährdung.

Interview: Daniel Wiese

Zen mit Gundula Meyer gibt es am Freitag, 15 bis 16 Uhr, und Samstag, 11 bis 12 Uhr, jeweils Pavillon 34, Messegelände. Dazu kommt Meyer am Donnerstag, 26. Mai, um 15 Uhr zur Veranstaltung „Waches Leben“, Halle 4, Messegelände