In der Nische der Minderheitenkunst

STILPRÄGEND FÜR DIE MODERNE Die Ausstellung „Indianische Moderne“ zeigt moderne indianische Kunstwerke. Sie bietet einen Einblick in die Kultur, aber beachtet den künstlerischen Wert der Werke zu wenig

Indianische Kunst sieht anders aus als nichtindianische Kunst

VON JOSTA VAN BOCKXMEER

Vor dem Eingang der Ausstellung sind abwechselnd zwei Videos zu sehen. In dem einen tanzt ein junger Mann Breakdance zu indianischer Musik, im anderen bewegt sich ein traditionell gekleideter Tänzer zu HipHop. In beiden Filmen passen Musik und Bewegung nahtlos zusammen.

Es ist eine elegante Art, die Vermischung zweier Kulturen zu zeigen. Diese ist ein zentrales Thema der Ausstellung „Indianische Moderne. Kunst aus Nordamerika“ in Berlins Ethnologischem Museum. Kurator Peter Bolz führt durch die Sammlung, die die größte ihrer Art in Europa ist.

Bolz betont vor allem den speziellen Humor der indianischen Bevölkerung. Vor einem Werk von David Bradley, das sehr detailliert und in grellen Farben die Stadt Santa Fe zeigt, bleibt er lange stehen. Begeistert erklärt er die vielen Details und deren Witz. Das Werk ist in einem naiven Stil gehalten, kritisiert aber die Vereinnahmung der indianischen Kultur durch Touristen. „Es ist eine Möglichkeit, mit der dominanten amerikanischen Kultur umzugehen“, sagt Bolz.

In naivem Stil

Peter Bolz übernahm die Sammlung 1989 von seinem Vorgänger Horst Hartmann, der die Werke unter ethnologischem Gesichtspunkt auswählte. Für Bolz ist eher der künstlerische Aspekt entscheidend. Bei der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung wurde gefragt, ob die Werke dann nicht in einem Kunstmuseum hängen sollten. Doch den Kurator interessiert vor allem, was die Werke über die moderne indianische Kultur und ihren Platz in der Gesellschaft aussagen. Diese Kultur auf neue Weise zu zeigen ist ihm gelungen.

Die eigenständige Entwicklung der indianischen modernen Kunst fing 1962 mit der Eröffnung des Institute of American Indian Arts in Santa Fe an. Dort werden auch heute noch Künstler indianischer und auch anderer Herkunft ausgebildet, die sich von der nordamerikanischen indigenen Kultur inspirieren lassen.

Bolz teilte die Exponate nach Herkunftsgebieten ein, die ihm zufolge auch für die moderne Kunst stilprägend sind. Ein bekannter Stil ist die expressionistisch wirkende Woodland School, die von dem Ojibwa-Künstler Norval Morisseau (Copper Thunderbird) gegründet wurde. Morisseau (1931–2007) sah sich selbst als Schamane und verarbeitete die Spiritualität der Ojibwa in seine Werken.

Die Abteilung „nichtregionaler“ Kunst thematisiert die Abgrenzung von dem Label der indianischen Kunst. Seit den 1960er Jahren wehren sich Künstler wie Paul Lawrence und Fritz Scholder dagegen, die indianische Kultur nur durch traditionelle Kunst darzustellen. Bolz: „Sie wollten sich nicht der traditionellen Kunst zuordnen, sondern ihren Platz in der heutigen Welt finden.“

An dieser Stelle stört es dann doch, dass der künstlerische Wert der Werke nicht mehr Aufmerksamkeit bekommt. Die Ausstellung thematisiert nicht nur die Trennung zwischen der indianischen und der dominanten westlichen Kultur, sondern stärkt diese auch. „Ob regional oder überregional, indianische Kunst sieht anders aus als nichtindianische Kunst“, sagt Bolz dazu.

Die Woodland School

Es ist ein schwieriger Konflikt: Einerseits verdient die Kultur der indianischen Minderheit in Nordamerika Beachtung und werden die Werke in Europa wenig rezipiert. Andererseits bleiben sie durch diese Ausstellung in der Nische der Minderheitenkunst gefangen.

Die schlichten, zweifarbigen Siebdrucke von der Nordwestküste sind ein Höhepunkt der Ausstellung. Das Schwarz-Rot wurde traditionell verwendet. „The Salmon Returns“ von Mark Preston (Tenna Tse The) aus 1999 berührt durch seine einfach erzeugte Dynamik. Bolz bezieht das Werk sofort auf die Tradition der Fischer in Alaska. Das ist dann wieder schade.

■ „Indianische Moderne – Kunst aus Nordamerika“, bis 28. Oktober im Ethnologischen Museum