Unterschrift per Kopie gefälscht

LEHMAN-ZERTIFIKATE Geschädigter aus Niedersachsen stellt Strafanzeige gegen Citibank: Deren Berater hatte die Unterschrift des Kunden in das Formular einkopiert, mit dem die riskanten Papiere bestellt wurden

Die Lehman Brothers Holding war eine traditionsreiche Investmentbank aus New York. Ihre Pleite gilt heute für viele als Auslöser der Bankenkrise.

■ Anfang 2008 war die Bank im Zuge der US-Immobilienkrise in Kapitalnot geraten. Am 10. 9. 2008 kündigte sie an, dass sie für das dritte Quartal Verluste von 3,9 Milliarden US-Dollar erwarte. Ein rettender Notverkauf scheiterte.

■ Am 15. 9. 2008 meldete Lehman Brothers Insolvenz an. Die Finanzmärkte reagierten geschockt. Der Geldverleih kam weltweit zum Erliegen.

■ Die Zertifikate der Lehman Brothers wurden daraufhin wertlos. Auch in Deutschland waren Tausende Anleger betroffen.

VON KLAUS WOLSCHNER

Über unzureichende oder falsche Beratung haben sich viele stolze Besitzer von Lehman-Zertifikaten beklagt, nachdem die Citibank ihnen den Totalverlust ihrer Geldanlage mitteilen musste. Der Bremer Anwalt André Ehlers hat nun in einigen Fällen Strafanzeige gestellt, bei denen die riskanten Papiere offenbar per Urkundenfälschung einzelnen Bank-Kunden untergeschoben wurden.

Da ist zum Beispiel Martin Michaelis aus einem Vorort von Bremen. „Ich bin seit acht Jahren Kunde bei der Citibank“, sagt er. Bis zum 10. Februar 2008. Da bekam er von seiner Bank – drei Monate nach seiner dringenden Bitte – die Kopien der Order, die seinen Kauf von Lehman-Zertifikaten dokumentieren sollte. Michaelis erinnerte sich nämlich nicht, so etwas gekauft zu haben. Beim Anblick seines „Risikoprofils“ staunte er nicht schlecht: „Rentner“ sei er, stand da, monatliches Einkommen „zwischen 3.000 und 4.000“ Euro. „Beides stimmt nicht“, sagt er. Und seine Unterschrift unter der Risikobelehrung? „Das ist nicht meine Unterschrift“, sagt Michaelis – da habe jemand versucht, diese nachzumachen.

Die Wertpapier-Order hat eine besonders originelle Form: Offensichtlich hat jemand auf den Formular-Vordruck etwas aufkopiert. Da, wo unten „Kundenunterschrift“ steht, findet sich keine Unterschrift. Michaelis fand seine Unterschrift darüber – mitten in dem Kleingedruckten also, in dem „allgemeine Geschäftsbedingungen“ erläutert werden. Das Kästchen zum Verkaufsprospekt „Der Kunde verzichtet auf diese Unterlage“ ist handschriftlich angekreuzt. Datum wieder maschinenschriftlich: „2. 4. 2007“.

Martin Michaelis hat in seinem Kalender nachgeschaut. „Am 2. 4. 2007 hatten wir eine wichtige Sitzung den ganzen Tag über, ich bin sicher, dass ich an diesem Tag nicht bei der Bank war.“ Vielleicht ein paar Tage früher, da gab es ein Gespräch mit seinem Berater Jens F. Der hatte ihm etwas angeboten, Notizen auf einen Zettel gemacht, ihn dann gebeten, zu unterschreiben – unten rechts auf dem weißen Blatt. War er damit einverstanden, dass seine Unterschrift einkopiert wurde? „Niemals. So etwas würde ich nie zulassen“, sagt Michaelis. Immerhin arbeitet er bei einer Krankenkasse und weiß, was Verträge sind.

Irgendwie hat er aber doch Vertrauen zu seinem Berater gehabt. „Ich kenne ihn seit acht Jahren“, sagt Michaelis. Spekulative Geschäfte hat er nie gemacht in der Zeit. Als er auf der Wertpapier-Order gesehen hat, dass die Bank neben dem Ausgabe-Aufschlag von zwei Prozent noch „4,55 Prozent Provision“ abgezogen hat, fühlte er sich doppelt getäuscht – auch das hat ihm 2007 niemand gesagt.

War Martin Michaelis leichtgläubig? „Hinterher ist man immer schlauer“, sagt er. „Die Kunden sind keine Fachleute. Sie können gar nicht anders, als leichtgläubig zu sein“, erklärt sein Anwalt. Dass es sich um Ausrutscher einzelner Berater handelte, kann der Anwalt nicht glauben. In der Kanzlei Ahr-Ehlers liegen inzwischen die Akten von über 250 Mandanten: „Alle erzählen ähnliche Geschichten.“

Ein Einzelfall: Man habe die Vorwürfe geprüft und den Mitarbeiter sofort von der Arbeit freigestellt, sagt dagegen Ingo Stader, der Sprecher der Citibank in Düsseldorf. Die Daten des Falles legen anderes nahe: Der Anwalt hatte die Bank im Mai angeschrieben. Antwort der Bank: Man habe alles geprüft und keinen Hinweis auf ein Fehlverhalten des Beraters festgestellt. Der Anwalt schickte dann am 6. 8. die Kopie seiner Strafanzeige an die Bank. Parallel hatte er das ARD-Magazin Plusminus informiert, es wollte am 11. 8. berichten. Am 10. 8. lag dann ein Vergleichsangebot in der Anwaltspost: 20 Prozent der Schadenssumme bot die Bank an. Am gleichen Tag hat sie sich wohl von ihrem Berater getrennt.