Radtour statt Rushhour

GESUNDHEITSFÖRDERUNG Die Harten machen es ganzjährig, andere nur gelegentlich oder gar nicht. Die Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ motiviert mit wachsendem Erfolg

Auch wenn’s manchmal regnet: Je öfter man radelt, desto seltener ist man krank

VON ANSGAR WARNER

In der S-Bahn nur noch Stehplätze, auf der Autobahn erst recht: Berufsverkehr kann stressig sein. Dabei geht es einfacher: Bei Strecken unter 10 Kilometern ist man mit dem Fahrrad normalerweise schneller, und der Fitness ist die Anreise mit dem Velo ohnehin zuträglich.

Darauf setzt die Initiative „Mit dem Rad zur Arbeit“, ein Joint Venture des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) mit der AOK, die sich bekanntlich nicht mehr Krankenkasse, sondern Gesundheitskasse nennt. Auch in diesem Jahr will man zwischen dem 1. Juni und 31. August einzelne Arbeitnehmer, aber auch ganze Belegschaften zum Umsteigen auf zwei Räder motivieren.

„Die Aktion ist bewusst im Sommer angelegt worden, denn dann fällt es besonders leicht, auf das Fahrrad umzusteigen“, so ADFC-Pressesprecherin Bettina Cibulski. Wer in den drei Monaten mindestens 20-mal den Weg zur Arbeit auf dem Drahtesel zurücklegt, nimmt an der Verlosung zahlreicher Preise teil, die von Sponsoren zur Verfügung gestellt werden. „Mitmachen kann man entweder als Einzelperson oder als Gruppe. In vielen Betrieben gibt es Koordinatoren, bei denen man die entsprechenden Materialien für die Aktion erhält“, so Cibulski.

Geradelte Strecken lassen sich online erfassen, man kann aber auch am Ende der Kampagne die Papierversion des Aktionskalenders einsenden. Erlaubt ist übrigens auch die Kombination von Rad und öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus oder Bahn. „In vielen Großstädten existieren bereits Fahrrad-Parkhäuser, in denen man sein Rad sicher abstellen kann. Das ist gerade für Pendler aus dem Umland ein wichtiges Argument, um zumindest Teilstrecken mit dem Fahrrad zurückzulegen“, weiß Cibulski. Die anfangs vor allem in Skandinavien erfolgreiche Radfahr-Aktion hat sich in Deutschland seit der Premiere im Jahr 2001 zum festen Brauchtum entwickelt. Zuletzt waren im Sommer 2011 von Schleswig-Holstein bis Bayern 170.000 Teilnehmer und 14.000 Betriebe in allen Bundesländern mit dabei.

Für die AOK gehört das Radeln ganz einfach zur betrieblichen Gesundheitsförderung, vergleichbar mit regelmäßiger sportlicher Betätigung. Der besondere Vorteil des Radfahrens liegt dabei auf der Hand: Die Fahrt zur Arbeit per Muskelkraft lässt sich besonders einfach in den Alltag integrieren. Viele haben das anscheinend schon erkannt. „In Deutschland liegt der Radverkehrsanteil mittlerweile bei knapp 10 Prozent, was etwa vier Millionen Menschen entspricht“, so Cibulski. Es könnte allerdings viel besser sein. Vorbild bleiben die Niederlande: Dort steigt ein Drittel der Bevölkerung regelmäßig aufs „Fiets“. Auch für den Weg ins Büro.

Einer Radfahrstudie des niederländischen Gesundheitsministeriums zufolge haben solche radelnde Arbeitnehmer weniger Fehltage. Und es gibt auch einen klaren Zusammenhang mit der Häufigkeit: Je öfter man radelt, desto seltener ist man krank. Eine klassische Win-win-Situation: Die fitteren Mitarbeiter dämpfen nicht nur die Ausgaben der Krankenkassen, denn von geringerem Krankenstand profitiert auch der Arbeitgeber. Die niederländische Studie nennt dazu auch konkrete Zahlen. Wenn nur 1 Prozent mehr Mitarbeiter fest im Sattel sitzt, könnten die Arbeitgeber Jahr für Jahr 27 Millionen Euro sparen. In Deutschland dürfte sogar ein Vielfaches drin sein.

Erhoben wurden von den Holländern aber auch die Gründe der Radverweigerer. Ganz oben standen zwei Argumente: schlechtes Wetter und die Befürchtung, durchgeschwitzt am Arbeitsplatz zu erscheinen. Gegen letzteres Problem kann man durchaus was tun: „Am besten richtet man sich am Arbeitsplatz einen Spind ein, in dem man Kleidung zum Wechseln aufbewahrt“, empfiehlt Cibulski. Außerdem hilft natürlich ein altbewährter Trick: einfach ein paar Minuten eher losradeln.