Tierische Kandidaten

STANDORTSICHERUNG Integration – das klingt nach Wahlkampfparolen, ist aber eine Idee vom Nabu

In einer flammenden Rede räumt der Gänsegeier endlich mit Vorurteilen auf. Der Bundestagskandidat und Aasfresser sieht sich als Teil eines „fleißigen Reinigungstrupps, der sich um die Reste kümmert“ – und nicht als Symbol für Missmanagement und Gier. Seine und auch die Wahlkampfreden drei weiterer Tiere sind auf den Internetseiten der „Wahlliste Pro Natur“ veröffentlicht.

Mit dieser Liste schickt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Tiere als Kandidaten für die kommende Bundestagswahl in den Wahlkampf. Feldhamster, Laubfrosch, Wolf und Gänsegeier stellten sich letzte Woche in Berlin mit ihren Zielen vor. Standortsicherung für Tiere und Integration derselben wollen sie durchsetzen sowie eine konsequente Klimapolitik.

In ihren Reden beklagten der Gänsegeier und der Wolf unter anderem mangelhafte Investitionen in die Umweltbildung. Dies führe zu falschen Annahmen und damit zu politischem und gesellschaftlichem Fehlverhalten gegenüber ihren Gattungen. Scharfe Kritik übte auch der Laubfrosch: Die weltweit milliardenschwere staatliche Unterstützung für den Finanz- und den Wirtschaftssektor unterstütze nur falsche Unternehmenspolitik. „Für die Folgeschäden des Raubbaus an der Natur müssen wir alle bezahlen“, so der Frosch. Die Lebensgrundlagen der Tiere müssten endlich konsequent geschützt werden.

In Berlin hängen seit Samstag bereits die Wahlplakate der tierischen Kandidaten. Parolen wie „Standort sichern – Abwanderung stoppen!“ werden auf Fahrrädern durch die Stadt getragen oder auf bedruckten Postkarten verteilt. Mit ihrer Kampagne, in der Tiere zu Politikern werden, will die Umweltorganisation Nabu das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten zu einem Thema der Bundestagswahlen machen. „Bedrohte Tiere sind ebenso wie die Wähler von politischen Entscheidungen betroffen. Doch sie können nicht wählen gehen“, sagte Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Nabu. Deshalb sollten die Wahlberechtigten endlich „Partei ergreifen“ für die Natur.

Die Umweltorganisation fordert außerdem die Verabschiedung eines „Bundesprogramms Biologische Vielfalt“ in der nächsten Legislaturperiode. Das soll ein speziell eingerichteter Haushalt für die Umsetzung des Ziels sein, das Artensterben in Deutschland zu stoppen. „Lasst uns also unseren Lebensraum. Am besten so, wie er ist. Also mit dem leckeren Aas“, verlangt der Gänsegeier in Berlin. NAIMA BLUM