Keine Attraktion, aber intakt

RIESA Ihre Industrie hat die Stahlstadt nach der Wende gerettet, die Arbeitslosigkeit hält sich in Grenzen

DRESDEN taz | Auf halbem Weg zwischen Dresden und Leipzig liegt Riesa in einer landschaftlich nicht besonders einladenden, flachen Elblandschaft. Nach der Wende ist die Einwohnerzahl kontinuierlich gesunken. 2011 waren in der Stadt nur noch 33.286 Bewohner gemeldet, vor dem Mauerfall waren es rund 52.000.

Riesa, das waren zu DDR-Zeiten das riesige und traditionsreiche Stahl- und Walzwerk mit 13.000 Beschäftigten und die „Nudelbude“. Eine Million Tonnen Stahl pro Jahr werden in Riesa von Feralpi immer noch hergestellt, und Spaghetti aus der Stadt sind im Osten nach wie vor beliebt. Mit offiziell 11,1 Prozent hält sich deshalb die Arbeitslosigkeit in Grenzen. Was von der ehemaligen Industriestadt Riesa blieb oder sich an Gewerbe neu ansiedelte, beschert der Stadt ein Gewerbesteueraufkommen von 250 Euro je Einwohner im Jahr. Das ist nicht viel weniger als in Ruhrgebietsstädten wie Duisburg oder Bochum. Auf Einnahmen vom NPD-Verlag „Deutsche Stimme“, der hier seinen Sitz hat, würde die Stadt allerdings gern verzichten.

Für die Konversion des nur noch teilweise genutzten Stahlwerksgeländes erhielt die Stadt mit 11,3 Millionen Euro die meisten Fördermittel aus den Programmen der Gemeinschaftsaufgabe für den Aufbau Ost des Bundes. Alle anderen Gewerbegebietserschließungen wurden insgesamt mit etwa 10 Millionen Euro gefördert. Riesa ist keine touristische Attraktion, macht aber auf Besucher einen intakten Eindruck.

Das gilt für die Infrastruktur einschließlich der Verkehrswege, auch für die fast komplett sanierten Kindertagesstätten, weniger für die Schulgebäude. Die Stadt, so Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer (CDU), setze bewusst auf Lebensqualität. Mehr Zuzug hat diese Strategie der Stadt Riesa aber auch nicht gebracht.

Mit den Auswirkungen der Krise, insbesondere mit Einbrüchen bei der Gewerbesteuer hatte indessen auch Finanzbürgermeister Markus Mütsch zu kämpfen. Dennoch nimmt die Stadt seit 2008 keine neuen Schulden mehr auf. Die Pro-Kopf-Verschuldung sinkt weiter und beträgt derzeit nur noch etwa 1.200 Euro.

Belastet wird der Stadthaushalt allerdings durch Folgen des typischen Nachwendegrößenwahn im Osten. Der bis 2003 amtierende Kultur-, Wirtschafts- und spätere Oberbürgermeister Wolfram Köhler verpasste Riesa aus dem Stand heraus das Image einer Sportstadt, holte 1999 die Sumo-Weltmeisterschaft an die Elbe und setzte vor allem den Bau der heutigen Erdgas-Arena durch.

Dafür gab es keine Aufbau-Ost-Mittel – die FVG-Betreibergesellschaft kostet die Stadt stattdessen bislang jährlich rund 2 Millionen Euro Zuschuss.

MICHAEL BARTSCH