LESERINNENBRIEFE
:

Zweifel an Gaucks Eignung

■ betr.: „Der Rückfall“ von Efraim Zuroff, taz vom 17./18. 3. 12

Ich teile die Zweifel Herrn Zuroffs bezüglich Herrn Gaucks Eignung für das Amt des Bundespräsidenten. Dass für Herrn Gauck persönlich die Aufarbeitung der DDR von größerer Wichtigkeit als die des Nationalsozialismus ist, sei ihm selbstverständlich unbenommen und ist vor dem Hintergrund seiner Biografie auch begreiflich; und natürlich ist die gründliche Aufarbeitung der DDR-Geschichte auch von öffentlichem Interesse.

Dennoch hat objektiv nicht die DDR die Menschheit traumatisiert, sondern das Dritte Reich mit seinem beispiellosen Zivilisationsbruch. Das Vertrauen, das der deutsche Staat im In- und Ausland heute genießt, hat er sich auch damit erarbeitet, dass er sein dunkelstes historisches Kapitel nicht ruhen lässt, sondern mit weltweit beispiellosem Engagement stetig erforscht und die Erinnerung daran nicht verblassen lässt. Ganz nebenbei wäre ohne den Nationalsozialismus auch weder eine DDR noch eine Bundesrepublik entstanden.

Die Freiheit, die Herr Gauck heute erleben darf, ist eine Antwort auf die Todes- und Ausrottungsideologie des Dritten Reiches; die Entstehung dieser Freiheit hat nichts mit der DDR zu tun. Dem obersten Repräsentanten der Bundesrepublik muss dies bewusst sein oder noch werden, damit er nicht Signale aussendet, die zur Verharmlosung des Nationalsozialismus führen könnten. Die Auseinandersetzung, die ständige Erinnerung mit der NS-Vergangenheit ist eine ständige Aufgabe für das In- und Ausland, sie darf einfach nicht zurückgeworfen werden.“ BERND-MICHAEL KABIOLL, Berlin

Jedermann weiß es …

■ betr.: „Erleben, was Besatzung heißt“, taz vom 17./18. 3. 12

Jede Empörung über Sigmar Gabriels Äußerung zum Vorgehen Israels gegen die Palästinenser ist völlig überflüssig, denn Gabriel ist nicht der Erste, der in diesem Zusammenhang von „Apartheid“ spricht. Auch israelische Menschenrechtsorganisationen wie B’Tselem, Zeitungen wie Ha’aretz, kritische Köpfe wie Uri Avnery, ja sogar das frühere Mitglied von Rabins Kabinett Schulamit Aloni haben bereits vor Jahren eingestanden: „Jedermann hier weiß, dass es Apartheid ist.“ (Aloni) Ebenso bezeichnete Bischof Desmond Tutu nach einem Besuch in Israel 2002 die dort herrschenden Verhältnisse als „Apartheid“ und schrieb im Guardian: „Mein Besuch im Heiligen Land hat mich zutiefst erschüttert, er erinnerte mich so sehr an das, was uns Schwarzen in Südafrika zugestoßen war.“

Wer sich heute hierzulande über Gabriel aufregt, zeigt Unwissenheit oder Heuchelei. Ihm sie die Lektüre der Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen empfohlen, Stichwort „Israel – Besetzte Gebiete“. URSULA TIMPTE, Düsseldorf

Instanz Gewissen

■ betr.: „Lichtenberg soll Heiliger werden“, taz vom 17./18. 3. 2012

Wenn die katholische Kirche durch die Heiligsprechung von Bernhard Lichtenberg wieder mal den Eindruck erweckt, als sei sie ein Hort des Widerstands gegen Hitler gewesen, dann ist das eine dreiste Geschichtsfälschung. Der Schriftsteller Heinrich Böll hat es in einem Brief an einen jungen Katholiken so formuliert: „Es ist üblich geworden, immer dann, wenn die Haltung der offiziellen katholischen Kirche in Deutschland während der Nazizeit angezweifelt wird, die Namen der Männer und Frauen zu zitieren, die in Konzentrationslagern und Gefängnissen gelitten haben und hingerichtet worden sind. Aber jene Männer, Prälat Lichtenberg, Pater Delp und die vielen anderen, sie handelten nicht auf kirchlichen Befehl, sondern ihre Instanz war eine andere, deren Namen auszusprechen heute schon verdächtig geworden ist: das Gewissen.“ RALF BÖHM, Berlin