Der Krone-Zeuge

Der österreichische Boulevard und die kroatische Mafia: Neues in Sachen „Kronen“-Zeitung gegen WAZ

WIEN taz ■ „Als überzeugter Europäer freue ich mich, dass die EU-Verfassung durch das österreichische Parlament ratifiziert wurde. Mit ihrer parteiübergreifenden Zustimmung haben die Volksvertreter Österreichs dabei auch dem Nationalismus der ewig Gestrigen eine klare Absage erteilt.“ Mit diesen Worten gratulierte letzte Woche Erich Schumann, Chef der WAZ-Gruppe, Bundeskanzler Schüssel zum fast einstimmigen Votum im Nationalrat. Gleichzeitig kann es als Spitze gelesen werden gegen die Neue Kronen Zeitung, an der die WAZ zur Hälfte beteiligt ist. Die hatte am Tag nach der Abstimmung nämlich ganz anders getitelt. „Schwarzer Tag für die Demokratie“, hieß es dort, nachdem das Boulevardblatt in Einklang mit Jörg Haider tagelang für ein Referendum agitiert hatte.

Das Verhältnis zwischen Krone-Herausgeber Hans Dichand, der sich auch in seinem 85. Lebensjahr die Letztverantwortung für Inhalt und Richtung seines Blatts nicht aus der Hand reißen lassen will, und der Essener Mediengruppe ist schon lange gereizt. Den Höhepunkt erreichte der Krach vor zwei Jahren, als ein Dichand in Kroatien über angebliche Mafia-Verstrickungen der WAZ recherchieren ließ – nämlich Michael Dichand, der 42-jährige Sohn. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er im September 2003 im Branchenblatt Der österreichische Journalist. Er hält es für bewiesen, „dass die WAZ-Gruppe wiederholt und mit Absicht mit der organisierten Kriminalität zusammenarbeitet“.

Vater Hans wollte nichts von Recherche und Interview gewusst haben. Hätte er, so könnte ihm die WAZ Treuebruch vorwerfen und wohl seinen Rückzug erzwingen. Friedrich Dragon, Ex-Chefredakteur der Krone, der solches behauptete, wurde wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch vor einem Schiedsgericht der Schweizer Handelskammer konnte die WAZ nicht den Beweis erbringen, dass der Tycoon informiert war.

Der notwendige Beweis könnte jetzt dem Nachrichtenmagazin Profil gelungen sein, das eine notariell beglaubigte Erklärung eines Herrn Dieter Weinbeer vorliegen hat. Dieser gibt darin an, von Michael Dichand für Nachforschungen über angebliche Unterwelt-Verbindungen der WAZ in Kroatien bezahlt worden zu sein. Einer seiner Gewährsmänner in Zagreb ist Ivo Pukanić, der dort ein reißerisches Magazin herausgibt, das durch die WAZ-Konkurrenz in Bedrängnis geraten ist. Weinbeer will im Juni 2003 bei einem Treffen mit Pukanić in Hans Dichands Büro in Wien dabei gewesen sein, bei dem es um die Recherchen gegen die WAZ ging.

Erich Schumann dazu im Profil: „Sollte keine zufriedenstellende Aufklärung erfolgen, kann das alles nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Ralf Leonhard