Brüssel entdeckt den Ostbrandenburger

EU-Kommissarin verspricht mehr Geld für Projekte an der Grenze zu Polen. Gewerkschaften dürfen künftig mitreden

BERLIN taz ■ Die Förderung der wirtschaftlich schwächeren Regionen in Europa soll künftig demokratischer werden. Dies bekräftigte die für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissarin Danuta Hübner auf einem Treffen mit Gewerkschaftsvertretern aus Deutschland, Polen und Tschechien am Donnerstag in Berlin.

„Eine erfolgreiche Integration der Regionen durch die Strukturförderung“, sagte die polnische EU-Kommissarin auf einer Tagung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Berlin-Brandenburg und der Heinz-Böckler-Stiftung, „braucht auch eine starke Einbindung der beteiligten Akteure.“ Dies gelte sowohl für die Umsetzung der aktuellen Förderprogramme als auch für die Strukturfonds der Periode von 2007 bis 2013, die derzeit aufgelegt werden. Hübner versprach den Gewerkschaften, dass sie in den Begleitausschüssen für die Programme beteiligt werden, ebenso wie die Arbeitgeber und andere gesellschaftlichen Gruppen. „Europa wächst nicht von allein“, sagte Hübner. „Die Rolle der Sozialpartner und der Nichtregierungsorganisationen bei der Strukturpolitik ist sehr wichtig.“

Beim DGB nahm man die Ankündigung mit Erleichterung auf. Schließlich hätten vor allem die Metropolenregionen wie Berlin von der Osterweiterung profitiert, sagte der Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Dieter Scholz. In Ostbrandenburg dagegen beklagten zwei Drittel der Unternehmen negative Auswirkungen auf Umsatz, Gewinn und Beschäftigung. „Für die grenznahen Regionen sind die EU-Strukturfonds deshalb besonders wichtig“, so Scholz. So hätten gewerkschaftsnahe Träger mit Geld aus Brüssel in der Vergangenheit Projekte durchgeführt, etwa zur interkulturellen Kompetenz und zu Betriebsrätenetzwerken.

Um die besondere Rolle der Grenzregionen weiß auch die polnische Kommissarin in Brüssel. Hübner kündigte deshalb an, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa stärker als bisher zu fördern. Dafür solle eine so genannte Ziel-3-Förderung geschaffen werden, die die bisherigen Interreg-Programme ablösen soll. 14 Milliarden Euro sollen dafür künftig zur Verfügung stehen, mit denen sowohl die Grenzregionen als auch grenzüberschreitende Projekte unterstützt werden sollen. Insgesamt beträgt der von der Kommission vorgeschlagene Haushalt 336 Milliarden Euro. Das sind 66 Milliarden mehr als in der Förderperiode 2000–2006.

Gleichwohl steht Hübners Absicht, die Strukturpolitik zu demokratisieren und zu regionalisieren, noch unter einem Finanzierungsvorbehalt. Geht es nach dem Willen der rot-grünen Bundesregierung, soll der künftige EU-Haushalt nicht mehr als 1 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung betragen. Ein solcher Sparkurs des Nettozahlers Deutschland würde allerdings das Ende der Regionalförderung in der bisherigen Form bedeuten. Betroffen davon wäre auch Ostdeutschland.

Sowohl die Gewerkschaften als auch die neuen Bundesländern drängen die Bundesregierung deshalb, dem Kommissionsvorschlag, den Haushalt auf 1,16 Prozent zu erhöhen, zuzustimmen. In diesem Falle, bestätigte Hübner, würde auch Ostdeutschland weiter die Höchstförderung aus Brüssel erhalten. Ausnahmen seien lediglich die als „reich“ geltenden Regionen Leipzig, Halle und der Südwesten Brandenburgs. UWE RADA