Kupfer wird zum Tafelsilber

POLEN Bis 2011 will Warschau staatliche Unternehmen verkaufen, darunter wichtige Energiefirmen und Kupferproduzent KGHM

8,6 Milliarden Euro will das Schatzministerium einnehmen

WARSCHAU taz | Der Protest fiel zahm aus: Vor der Kupfermine und der Verhüttungsanlage des Kupferproduzenten KGHM traf am Dienstagmorgen das Gros der Arbeiter zu einem zweistündigen illegalen Warnstreik zusammen. Dann gingen sie wieder ans Werk. Etwa 10 Prozent des staatlichen Betriebes im westpolnischen Lubin sollen verkauft werden. Die Gewerkschaften befürchten Entlassungen: „Die Regierung gefährdet mit ihren Privatisierungsspäßen die Existenz von KGHM“, so Ryszard Zbrzyzny, der Sprecher der Betriebsgewerkschaften.

Polens Schatzminister Aleksander Grad hat vor, unpopuläre Entscheidungen umzusetzen: In den nächsten 18 Monaten will er die Staatsanteile an über 100 Aktiengesellschaften verkaufen. Mit dem Erlös will Polens liberal-konservative Regierung die Haushaltslöcher stopfen. Auf der Verkaufsliste steht auch Europas größter Kupferproduzent KGHM, den bislang keine Regierung anzutasten wagte.

Der angepeilte Privatisierungserlös von 36,7 Milliarden Złoty (umgerechnet 8,6 Milliarden Euro) wäre der höchste seit Beginn der polnischen Privatisierung. Der bisherige Rekord entstand im Jahre 2000, als das Schatzministerium für 27,2 Milliarden Złoty Giganten wie die polnische Telekom, die Handelsbank und die Raffinerie PKN Orlen verkaufte.

Unter der postkommunistischen Regierung von Leszek Miller oder der national-konservativen von Jarosław Kaczyński kam der Privatisierungsprozess ins Stocken. Die einen wie die anderen argumentierten mit dem „nationalen Interesse“ Polens, vergaßen aber zu erwähnen, dass es in diesen Unternehmen auch viele lukrative Pöstchen gab, die die regierenden Parteien gern an treue Mitglieder vergaben. Polens derzeitige Regierung aber ist die erste, die es schaffen könnte, ein zweites Mal in Folge gewählt zu werden.

Privatisiert werden sollen nun vor allem Firmen aus dem Energiesektor: Enea, Tauron und Energa. Auf der Liste stehen aber auch die Warschauer Wertpapierbörse, das Chemieunternehmen Ciech, das Steinkohlebergwerk Bogdanka und weitere 100 Unternehmen. Die Opposition kündigte bereits an, das Thema in der ersten Parlamentssitzung nach der Sommerpause aufzugreifen.

Trotz der zahlreichen Proteste gegen die umfassenden Privatisierungspläne bewertet Konrad Niklewicz sie positiv. In der Gazeta Wyborcza schreibt der Wirtschaftsexperte: „In einer Zeit, in der Präsident Kaczyński gegen jedes wichtigere Gesetz im Bereich der Wirtschaft sein Veto einlegt, kann es sich als die wichtigste Reform dieser Regierung herausstellen, die Privatisierung zu Ende zu bringen.“

Die Gewerkschaften des Kupfer- und der Energieproduzenten sehen das nicht ein. Sie drohen mit einem Generalstreik. GABRIELE LESSER, JENS MATTERN