Nur reiche Karotten heißen Bio

BIO-SIEGEL Das Wort „Bio“ gehört der EU. Wer es benutzt, zahlt teure Kontrollen

Dunkle Möbel, Parkett, moderne Gemälde an den weißen Wänden: Das mitArt-Café in Berlin-Mitte ist schick, schlicht und modern. Auf der übersichtlichen Speisekarte stehen Exklusivitäten wie hausgemachte Tagliatelle mit Flusskrebsen oder Lachsforelle unter Macadamia-Nusskruste auf Zuckerschotensalat. Alles ist 100 Prozent bio, zertifiziert mit dem offiziellen EU-Biosiegel, das EU-weit die gleiche Qualität garantiert. Aber: Dieses Siegel können sich nicht alle Restaurants leisten, auch wenn sie Ökoqualität anbieten.

„Das Bio-Logo und das Kennzeichnungssystem wurden entwickelt, damit Sie darauf vertrauen können, dass die Ware, die Sie kaufen, exakt gemäß der EU-Verordnung für biologische Landwirtschaft produziert wurde“, erklärt die Europäische Kommission auf ihrer Homepage. Wörter wie „biologisch“ und „öko“ sind geschützt. Seit Juli 2010 gibt es das grüne EU-Bio-Logo, seriös und einheitlich. Ob auf spanischen oder irischen Speisekarten: ein verlässliches Symbol zwischen vielen anderen Siegeln.

So die Theorie. In der Praxis sind die Kontrollen nicht so einheitlich. Rund 200 private Kontrollstellen gibt es in der EU, 20 in Deutschland. Die werden von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zugelassen, dann von einer der über zehn verschiedenen Behörden überwacht, etwa der Landwirtschaftskammer oder dem Landesumweltamt. Alle EU-Staaten benutzen das gleiche Siegel, die Zulassungsverfahren für die Kontrollstellen sind unterschiedlich streng. Das wurde 2011 beim Betrugsfall in Italien klar, als konventionelle Sojabohnen als „bio“ verkauft wurden.

Das mitArt-Café ist seit seiner Eröffnung vor 18 Jahren mit Biosiegeln zertifiziert. Das EU-Siegel war nur noch Formsache. Für kleinere Cafés ist das schwieriger, vor allem wenn sie nur einige Biogerichte anbieten: Zertifizierte und konventionelle Zutaten müssen getrennt gelagert und verarbeitet werden. Nicht jede Küche hat den Platz.

Cafés und Restaurants, die mit Bioqualität werben, werden mindestens einmal jährlich kontrolliert. Zwischen 250 und 800 Euro zahlen sie dafür im Jahr – je nach Größe und Unternehmensstruktur. Christiane Waszkowiak vom mitArt-Café zahlt 500 Euro. „Das ist mehr Geld als die zusätzlichen Einnahmen, die mir die Werbung mit Biosiegel bringt.“ Einige Leute kämen wegen der Ökoqualität, den meisten schmecke es einfach gut – manche schrecke „Bio“ sogar ab: „Die denken, hier gibt es nur Müsli.“ Trotzdem leistet sie sich das Siegel. „Das sehe ich als meinen Bildungsauftrag“, sagt sie. „Die Leute sollen wissen: Diese Karotte schmeckt so gut, weil sie bio ist.“

Wo Bio drin ist, steht also nicht immer Bio drauf. Aber wo Bio draufsteht, ist Bio drin – oder? Ob ein Betrieb das Zertifikat bekommt, hängt von vielen Faktoren ab – Budget, Größe der Küche, Organisation –, die nichts mit der ökologischen Qualität zu tun haben. Dafür werden bis zu 5 Prozent der Zutaten aus nicht ökologischem Anbau und bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verändertes Material akzeptiert. Die Bioqualität komme zu kurz, sagt Waszkowiak. „Das EU-Siegel gibt es ja für alles, was einigermaßen essbar ist.“ MIRANDA SCHILLER MAREIKE ZOEGE