Hochprozentiges Sprachspiel

Mit der Show „Supra Zungenbrecher“ beendet das Regieteam „schöne Gegend“ seine Oral-Trilogie auf Kampnagel

Für alle, die die ersten beiden Episoden der Oralshow „Zunge komm bald wieder“ auf Kampnagel nicht gesehen haben: Die Sprachforscherin Dr. Aluxa Flimpus leidet unter Zungenbruch. Heilung verspricht das Aussprechen des gewaltigsten Zungenbrechers überhaupt. Das Regie-Kollektiv „Schöne Gegend“ ließ in den beiden ersten Episoden die Kollegen der verletzten Linguistin, Herrn Professor Reri und Frau Stabiana Löwe, im Hunsrück, in Schweden und Spanien vergeblich danach suchen.

In der jetzt dritten und letzten Folge auf Kampnagel landet das Forscherteam in Georgien. Eine Weissagungskugel schickt die animierten Figuren auf der Leinwand dorthin. Das Regiekollektiv – Simone Henneken, Fredrik Nedelmann und Alexandra Filip – collagiert wie gewohnt Fotos georgischer Landschaften, Menschen und Städte mit ihren gezeichneten Figuren. Dazu gibt es diverse Zungenbrecher zum Nachmurmeln. Dieser hier zum Beispiel spielt für den Verlauf der Geschichte eine Schlüsselrolle: Jeschpaleseymtagweschasaj. Diese Anhäufung von Konsonanten mit eingesprengten Füllvokabeln bedeutet so viel wie: Wie kommt sie dazu, das arme Ding, es ihm nicht zu geben? Entscheidend daran: die für das Georgische typische Konsonantenflut. Damit eignet sich für deutschsprachige Hörer fast jedes Wort dieser Sprache als Zungenbrecher, und die Hoffnung der animierten SprachwissenschaflterInnen, hier endlich auf den ultimativen Zungenbrecher zu stoßen, ist entsprechend groß.

Live untermalt von dem Jazztrio „Giorgi Kidnarze“, gelangen die Gelehrten zunächst in eine Wortkelterei. „Das ist ein Raum, in dem neue Wörter entstehen“, erklärt Simone Henneken. „Die Konsonanten werden oben in den 500 Jahre alten Kelter gepresst, unten kommt das Wort raus.“ Mit diesem Modell der Sprachentstehung entlehnt das Regietrio ein Stück georgische Tradition, die Weinkelterei.

Persönliche Eindrücke, Postkartenbilder, Erzählungen von Freunden und Texte mixen die RegisseurInnen in ihrem verwirrenden Spiel zusammen. „Hilfreich war die Doktorarbeit des Ethnologen Florian Mühlfried mit dem Titel ,postsowjetisches Feiern. Das georgische Bankett im Wandel‘, sagt Alexandra Filip. Das traditionsreiche Bankett, die Supra, spielt in ihrer Show eine zentrale Rolle. Dort fallen Trinksprüche, die Dr. Flimpus zur Heilung verhelfen sollen. Die Supra-Tafel steht auf der Bühne, die Teilnehmer sitzen am Tisch. Auf die Tischdecke werden das Geschirr, umfallende Gläser und allerlei Käsebrote projiziert. Im Gegensatz zur wirklichen Supra, wo es leckere Speisen in Hülle und Fülle gibt. „Die Ursache dafür liegt in der Küche“, schmunzelt Henneken. Dort, das sieht man parallel zum Käsebrot-Gelage auf der Leinwand, verschlingen sich die Speisen selbst, die Köchin geht in einem Inferno aus Dampf, Feuer und Fettschwaden auf. Aber wird Dr. Flimpus gerettet? Das will das Regieteam noch nicht verraten, eine überraschende Lösung sei jedoch in Sicht. Eine amerikanische Esoterikkünstlerin soll sie bringen, verbunden mit jenem nahezu unartikulierbaren Zauberspruch, der einem wohl nur unter dem Einfluss des georgischen Schnapses „Dscha-Dscha“ über die Lippen kommt. Katrin Jäger

Do, 12.5., 20 Uhr, Kampnagel