Die Quittung für einen Toten

JUSTIZ Die Mutter von Dennis J. sollte für ein beschädigtes Polizeiauto zahlen. Ihr Sohn hatte es gerammt, weil er von einem Polizisten beschossen wurde

Das Schreiben der Senatsverwaltung für Finanzen ist nüchtern. Kosten in Höhe von 2.441,44 Euro seien durch die Reparatur des Dienstwagen entstanden, den „der Getötete“, Dennis J., gerammt habe. Hinzu kämen 103,45 Euro Behandlungskosten für einen angefahrenen Zivilpolizisten. Dafür habe Sabine J. „als Erbin ihres Sohnes einzustehen“.

An Silvester 2008 wurde der Neuköllner Autoknacker Dennis J. von einem Polizisten in Schönfließ nördlich von Berlin getötet. Der 26-Jährige hatte versucht, mit einem Auto der Festnahme wegen offener Haftbefehle zu entwischen. Der Zivilbeamte Reinhard R. schoss, J. fuhr noch einige Meter, schrammte einen Fahnder am Bein, rammte den Polizeiwagen – und starb.

Dass J.s Mutter nun für die Schäden zahlen soll, nennt ihr Anwalt Thomas Worm „kleinlich und zynisch“ – und für rechtlich nicht haltbar. Denn der Todesschuss wurde im Juli 2010 vom Landgericht Neuruppin als unrechtmäßig gewertet, der Schütze wegen Totschlags verurteilt. „Hätte der Beamte nicht geschossen, hätte Dennis J. den Dienstwagen und den Beamten gar nicht angefahren“, so Worm. Das Land sieht’s andersrum: Hätte J. sich „ohne Gegenwehr festnehmen lassen, wäre der tödliche Schuss nicht abgegeben worden“, heißt es in einem Schreiben an Worm vom Oktober 2011, das Bekannte von J. ins Netz stellten.

Den Schriftwechsel hatte J.s Mutter ausgelöst: Nach der Verurteilung des Todesschützen forderte sie vom Land, die Beerdigungskosten ihres Sohnes zu begleichen: 7.473 Euro. Dem hielt die Senatsverwaltung ihre eigene Rechnung entgegen: die Kosten für das Auto und die Behandlung des Beamten bei hälftigem „Mitverschulden des Getöteten“.

„So was ist dreckig“

Anwalt Worm ließ das nicht durchgehen: J.s Mutter müsse schon deshalb nicht dafür aufkommen, weil sie das Erbe ausgeschlagen habe. Worm will nun die vollen Beerdigungskosten vom Land einklagen. Eine „Frechheit“ nennt J.s Schwager Kemal K. das Vorgehen der Verwaltung. „So was der Familie anzutun, ist dreckig. Als wäre Dennis nach dem Schuss noch zurechnungsfähig gewesen.“

Die Finanzverwaltung bestätigt die Korrespondenz. Die Rechnungen für Werkstatt und Arzt seien aber „gegenstandslos“, nachdem sich die Erbenfrage geklärt habe, sagt ein Sprecher. Ob die Forderung sensibel gewesen sei? Das, so der Sprecher, wolle er nicht kommentieren. K. LITSCHKO