Kommentar
: Auf dass sie nicht unberührt bleiben

Architekt Peter Eisenman mag sein Mahnmal nicht interpretieren. Das erledigen andere für ihn

„Die Vögel haben das Denkmal schon für sich entdeckt. In weitem Schwung kommen sie vom Tiergarten her, ziehen im Gleitflug knapp über den höchsten Stein hin.“ So klingt es, wenn ein ehemaliger Kultursenator von Berlin poetisch wird, wortreich und rechtzeitig zur Eröffnung des Holocaust-Mahnmals in der Bild-Zeitung.

Doch nicht nur Christoph Stölzl, auch andere Politiker und Journalisten überboten sich mit dichterischen Interpretationen. „Im Wald der Stelen“, „Ein Ort, nichts“, so die Schlagzeilen. Kardinal Karl Lehmann erinnerte das Steinfeld gar an „die Abgründe menschlicher Möglichkeiten, die in jedem lauern“, und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse raunte schon im Vorfeld von einem Ort mit „großer emotionaler Kraft“.

Journalisten beschreiben, Politiker halten Ansprachen. Aber angesichts des Holocausts scheint das Gefühl verbreitet zu sein, je mehr und je symbolbeladener wir reden, desto aufrichtiger erinnern wir. So wanderte nicht nur Christoph Stölzl auf der Suche nach möglichst besinnlichen Gedanken durch das Stelenfeld, sondern auch Reporter, die die Aussagekraft knirschender Kieselsteine und meterhoher Betonquader in tief greifende Worte zu fassen suchten.

Man wollte wohl außerdem die künftigen Besucher nicht ohne Anleitung durch das Mahnmal spazieren lassen. Auf dass sie bloß nicht unberührt bleiben –dank der diversen medialen Erfahrungsberichte sind sie schon jetzt bestens informiert, was sie zwischen den riesigen Steinquadern empfinden sollen, können und dürfen.

Ein Mahnmal muss kommentiert werden. Es soll Diskussionen auslösen, außerdem wissen viele Menschen sicherlich zu wenig über den Holocaust. Doch die Worte würden vielleicht mehr Wirkung entfalten, wenn die Erzähler einen anderen, angemesseneren Stil fänden. ANNE SEITH