Entrüstung über Vorstoß für Scheidungsrecht

In den Philippinen will eine Abgeordnete endlich Ehescheidungen legalisieren und fordert damit die Kirche heraus

MANILA taz ■ Imelda Evangelista war mit ihrem fünften Kind schwanger, als ihr Mann sie wegen einer anderen verließ. Vier Wochen nach der Entbindung schob Evangelista 12-Stunden-Schichten im Wachdienst einer Schule. Ihr Monatslohn: umgerechnet 75 Euro. Später wusch sie Kleider wohlhabenderer Landsleute. Ein paar Peso steuerte die Schwiegermutter bei. „Es reichte gerade zum Überleben“, erinnert sich die heute 55-Jährige.

15 Jahre ist das her, und noch immer trägt Evangelista den Namen des Mannes, der sie und die Kinder in Not stürzte. Denn die streng katholischen Philippinen sind neben Malta weltweit das einzige Land ohne Recht auf Scheidung. Ehe und Familie sind heilige Institutionen. Nur reiche Paare kaufen sich per Attest frei: Bei „psychischer Unfähigkeit“ eines Partners ist die Annullierung der Ehe möglich.

Die Kongressabgeordnete der Frauenorganisation „Gabriela“, Liza Maza, will diesen „mittelalterlichen Zustand“ ändern. Im März brachte sie einen Gesetzentwurf ein, der Scheidung legalisieren und erstmals finanziellen Unterhalt regeln soll. Obwohl moderat im Ansatz – der Scheidung müssen fünf Jahre Trennung vorausgehen –, löste der Vorstoß Entrüstung aus. Der einflussreiche Kardinal Jaime Sin verteufelt Scheidung als „unphilippinisch und unmoralisch“. Konservative Gruppen geifern gegen „selbstsüchtige Feministinnen“ und den „Ausverkauf der Familie wie im Westen“.

An der Realität gehen die Proteste vorbei. Gewalt in der Ehe trifft auf den Philippinen nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen sechs von zehn Frauen. Kein Geheimnis ist, dass viele Männer Geliebte oder gar Nebenfamilien haben. Dazu schweigt die Kirche. Schon seit langem versuchen progressive PolitikerInnen ein Scheidungsrecht einzuführen. Doch auch jetzt sind die Chancen eher schlecht, räumt Maza ein. Nach der ersten Lesung des Entwurfes wurde er an den Familienausschuss überwiesen, wo er einen langsamen Tod sterben dürfte.

Nicht zuletzt, weil Präsidentin Gloria M. Arroyo als devote Katholikin gilt. Dennoch: „Ich habe hier im Kongress viel Zustimmung erfahren. Auch die Medien berichteten positiv und die öffentliche Meinung ändert sich“, sagt Maza. Umfragen von 2003 zeigten, dass 36 Prozent der Filipinos ein Scheidungsrecht wollten, 2001 waren es 21 Prozent.

Für ihren Vorstoß muss Maza viel einstecken. „Ich habe vor allem Gegner beim rechten Militär. Manche Offiziere haben in ihren Büros eine Art Fahndungsplakat von mir hängen, direkt neben denen von Terroristen.“ Mächtigere Feinde als Kirche und Militär gibt es auf den Philippinen nicht. Für Imelda Evangelista kommt das Scheidungsrecht zu spät. Für hunderttausende Filipinas und ihre Kinder würde es eine finanziell halbwegs gesicherte Existenz nach einer gescheiterten Ehe bedeuten.

HILJA MÜLLER