taz-dokumentation
: Möllers Mail aus Afghanistan

Die GAL-Abgeordnete Antje Möller reist derzeit zusammen mit der Flüchtlingsbeauftragten der Nordelbischen Kirche, Fanny Dethloff, durch Afghanistan, um sich ein Bild von der dortigen Situation zu machen. Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) war vor kurzem ebenfalls in dem zentralasiatischen Land und befand, dass nichts gegen die sofortige Abschiebung erwachsener Männer dorthin spreche. Am Sonnabend erreichte uns eine erste E-Mail Möllers, die wir hier dokumentieren.  taz

„Wir haben, begleitet von zwei bewaffneten Leibwächtern, den Donnerstag und Freitag ca. 80 km außerhalb von Kabul in einem Dorf verbracht. In dieser Region, in der die Frontlinie zwischen Nordallianz und Taliban verlief, leben insgesamt zwei Millionen Menschen – zum Großteil ohne Wasserversorgung und Kanalisation. Die ungeklärten Abwässer fließen über die Straßen. Trinkwasser wird aus den Flüssen und einigen wenigen Brunnen gewonnen. Die Gesundheitsversorgung ist noch völlig unzureichend. Fußwege zu medizinischer Hilfe betragen ebenso wie zu Schulen oft zwei Stunden. Witwen, Alte und Kinder sind nicht versorgt und man sieht Hunger. Die Menschen ernähren sich durch kleine Landwirtschaften, die Männer pendeln zum Teil zur Arbeit nach Kabul. Ehemals verfeindete Familien leben wieder nebeneinander, bewaffnete Männer sind allgegenwärtig. Das Misstrauen der Menschen gegenüber den nächsten Nachbarn ist weiter groß. Bei Dunkelheit ist niemand auf den Straßen, Autofahrten werden vermieden. Die Frauen tragen hier grundsätzlich weiterhin den Tschador.

In Kabul haben wir Gespräche mit einer Rückkehrerfamilie aus dem Iran geführt, deren gut ausgebildete, erwachsene Kinder bei internationalen Nichtregierungsorganisationen und in Ministerien Arbeit gefunden haben. Wohnverhältnisse sind auch hier durch Brunnenwasser und mit offenen Kloaken auf den Straßen gekennzeichnet.

Im Gespräch mit dem UN-Flüchtlingskommissariat wurde deutlich, dass eine Rückkehr nur anhand von drei Kategorien stattfinden kann: Rückkehr in den Heimatort muss gewährleistet sein (nicht einfach nach Kabul), keine humanitären oder sonstigen Gründe, die dagegen sprechen, und Flucht erst nach 2000. Rückkehrer aus Europa müssen die Möglichkeit haben, ihr Hab und Gut aufzulösen und möglichst viel Besitz oder eben Geld mitzunehmen. Gut ausgebildete Menschen haben die besten Chancen, überhaupt Arbeit zu finden.“