Ökonom unter Künstlern

Die Kreativwirtschaft liegt in den letzten Zügen – aber nur auf dem Schreibtisch von Herbert Grüner. Der Wirtschaftswissenschaftler hat sich in die ländliche Idylle des Elbufers bei Bad Schandau zurückgezogen, um seinem Lehrwerk über die boomenden Kreativbranchen den letzten Schliff zu geben. In Kürze kann er es in einem neuen Praxisfeld erproben: Grüner wird Rektor der Bremer Hochschule für Künste (HfK).

Grüners Wahl hat die Züge eines Paradigmenwechsels: Er ist der erste Nicht-Künstler an der Spitze der HfK, zu deren Führung man bisher wenigstens Musikwissenschaftler sein musste. Grüner ist auch der erste externe Rektor – und der bislang einzige, der eine wirklich satte Mehrheit im Akademischen Senat auf sich vereinen konnte. Dabei half Grüners freundlich-gewinnende Art – entscheidend ist jedoch das gewachsene Bewusstsein, dass die traditionelle Rivalität zwischen den Fachbereichen der Musiker und Bildenden Künstlern/Designern die Entwicklung der Hochschule blockiert. Bislang konkurrierten Maler und Musikvertreter um das Rektorenamt, bei der Wahl von Grüners Vorgänger langte es gerade zu einer Stimme Vorsprung.

Ein Wirtschaftswissenschaftler ist offenbar von ganz anderen Mehrheiten wählbar – wie aber fühlt man sich als einziger Ökonom unter lauter Künstlern? „Ich sehe viele Anknüpfungspunkte“, beteuert Grüner, der eine solche Sonderrolle bereits von der Kunsthochschule Berlin-Weißensee kennt. Dort bietet er Veranstaltungen zur beruflichen Selbstständigkeit von Kreativen an. Gleichzeitig amtiert der 52-Jährige als Rektor der privaten Bbw Hochschule Berlin, wo gegen stolze Studiengebühren Ingenieure und BWLer ausgebildet werden – eine rundum andere Welt als die der Bremer HfK.

Grüner arbeitet auch im Kuratorium der Hochschul-Informations-Service GmbH (HIS), die unter staatlichen Hochschullehrern nicht nur Freunde hat. Dass der Franke sie dennoch von sich begeistert, beweist kommunikative Kompetenz. HENNING BLEYL