Das Feld kocht mit

ERNTEMAHLZEIT Um Harald, den Traktoristen, und die anderen Feldarbeiter satt zu bekommen, muss die Bauerstochter weit über Stoppelacker fahren. Gegessen wird draußen

Zwei Trecker halten. Ich stelle den Kuchen in der Fahrspur auf den Boden und hole die Thermoskannen raus

VON LUISE STROTHMANN

Letzten Sommer lief doch noch alles so verdammt gut. Belegte Brötchen, Eintopf, Quarkölteig-Schnecken mit Nussfüllung. Alle waren glücklich. Sie häckselten auf dem Feld den Mais, füllten das Silo, ich stand in der Küche, backte, verpackte, und sogar Harald, der Traktorist, der sonst nie mitisst, freute sich nachmittags auf meinen Kuchen. Damals, im September, entstand mein Traum: ein Cateringservice für Landwirte.

Bauernomelett als Sandwich

Mindestens einmal im Jahr bin ich bei meinen Eltern während der Ernte, auf unserem Hof in Mecklenburg. Es ist eine Art Überbleibsel der Kartoffelferien, die Landwirtskinder früher bekamen, um zu Hause zu helfen. Wir bauen schon lange keine Kartoffeln mehr an und ich bin eine miserable Treckerfahrerin. Deshalb koche ich.

In den Landwirtschaftszeitschriften, die auf unserem Küchentisch rumfliegen, gibt es ganze Artikelserien zum Thema: „Wie die Erntemannschaft auf dem Feld verpflegen?“ Bauernomelett als Sandwich im Vollkornbrot schlägt eine Landwirtin da vor. Der Karikaturist plädiert für intravenöse Ernährung. Sie wissen: Ackerbauern sind im Sommer in Eile. Wenn das Getreide reif ist, kostet jede Verzögerung Geld, fahren kann der Mähdrescher nur, solange es trocken ist. Deshalb essen die meisten während der Ernte auf dem Feld. Bei uns sind das vier bis sechs Männer zwischen 19 und 62.

Was sie essen, wird weniger vom Geschmack als von den logistischen Herausforderungen bestimmt. Es gibt Gerichte, die eignen sich dafür, in einer Klappbox auf dem Beifahrersitz eines Geländewagens über ein Stoppelfeld gefahren zu werden, und es gibt Gerichte, die eignen sich nicht dafür.

Schwarzwälderkirschtorte ist ein klassisches Beispiel für etwas, das sich nicht dafür eignet. Aber es ist nun einmal Sonntag, die Sauerkirschen sind reif, und wer hätte heute Morgen ahnen können, dass die Ernte schon losgeht. Dass der Raps noch nicht trocken genug ist, ist den Leuten, die ich heute bekoche, egal. Ein benachbarter Landwirt schuldet einem anderen viel Geld, und der befürchtet, es nie wiederzusehen. Deshalb hat er sich sieben Mähdrescher zusammenbestellt, um in einem Akt bäuerlicher Selbstjustiz beim Schuldner Raps im Gegenwert zu stehlen, direkt vom Feld. Männerspiele, für die ich die Sahnetorte liefere.

Als ich auf dem Feld ankomme, haben sich die Cremeschichten leicht in ihrer Symmetrie verschoben, aber die Form ist noch erkennbar. Zwei Trecker mit Anhängern halten auf dem Hügel. Ich stelle den Kuchen in der Fahrspur auf den Boden und hole die Thermoskannen raus.

Paul, sechsjähriger Beifahrer, rennt auf die Torte zu und wirbelt das fein geschnittene Rapsstroh auf. Dutzende kleine Halmstückchen legen sich auf die Sahne. „Ach, Paul“, sagt sein Vater, kniet sich auf den Acker und sammelt ein paar Halme ab, dann schneidet er den Kuchen an. Ich nehme mir auch ein Stück, Stroh spucke ich beiläufig aus. Das Feld kocht mit.

Normalerweise passiert mir so etwas nicht, sage ich mir anschließend. Die Hauptmahlzeiten liefere ich portioniert in Dosen und lege nur noch Gabeln dazu. Deshalb funktioniert auf dem Feld auch am besten All-in-One-Essen. Das Problem an Mehrkomponentengerichten ist, dass sie – zusammen verpackt – im Geländewagen zu Eintopf werden.

Auch Eintopf, der als Eintopf geplant ist, macht Probleme: Er ist flüssig. Zwei Tage nach der Schwarzwälderkirschtorte gibt es Erbsensuppe mit Griesklößen. Als ich die Suppe vom Herd in halblitergroße Joghurteimer fülle, schrumpft das Plastik an der Seite leicht zusammen. Mist, zu heiß, verdammt.

Gute Hausfrauen aus den Bauernzeitschriften haben für so etwas Thermokunststoffbehälter für 15 Euro das Stück. Meine Mutter ist Vollzeitlandwirtin, wir haben Joghurteimer. Und ehemalige Keks-, Eis- und Margarinedosen. Meine Mutter hat einen meisterhaften Blick dafür entwickelt, Produkte wegen ihrer tollen, großen, wiederverwertbaren Verpackung zu kaufen. Die stapeln sich jetzt in unserem Küchenschrank. Letztes Jahr habe ich manchmal an einem Morgen einen ganzen Stapel davon befüllt. Eine mit geschmierten Broten, eine mit Kartoffelsalat, eine mit Kirschquark und eine mit Brombeerkuchen. Dazu zwei Kannen Kaffee, Apfelsaft, ein Fläschchen Milch und eine Senfdose voll Zucker.

Der Ganztagsversorgungskorb für Tage, an denen auf einem abgelegenen Feld in 25 Kilometern Entfernung geackert wurde, war immer eine meiner Lieblingsaufgaben. Meine Mutter sagt, jetzt wollen die Männer das nicht mehr. Sie haben Murmel entdeckt, das ist der Besitzer des Dorfimbisses. Bei Murmel gibt es morgens schon Bockwurst mit Brötchen und mittags Schnitzel XXL.

Den Traum vom Cateringunternehmen habe ich vorgestern endgültig abgehakt, gegen Murmel kann ich nur verlieren. Ich schule jetzt um, seit zwei Tagen bin ich im Kälberverpflegungsdienst. Es gibt Milch aus großen Kannen. Kurz nachdem der letzte Nuckeleimer befüllt ist, hat das erste Kalb schon ausgetrunken und drängelt gegen den Eimer seines langsameren Nachbarn. Ich schiebe mich dazwischen. Ein Kalb saugt an meiner rechten Hand, dann noch eins an meiner linken, ein drittes sucht an meinem Arm nach einer geeigneten Auswölbung und findet den Ellenbogen. Ich verharre geduldig, bis das letzte Kalb ausgetrunken hat, und bin selig. Gerade habe ich verstanden, warum mein neuer Aufgabenbereich den alten locker aussticht: Hier serviere ich jeden Tag das gleiche Gericht, es schmeckt allen vorzüglich und ganz bestimmt verlangt nie jemand Schnitzel XXL.