HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER
: Das Wiedersehen

Er ist nicht so froh, mich wiederzusehen wie ich ihn. Genau genommen sieht er mich nicht wieder, sondern zum ersten Mal, denn er erkennt mich nicht. Er trägt einen schwarzen Mantel. Er hat schwarzes Haar. Seine Freunde haben auch schwarze Mäntel. Und schwarzes Haar. Auch ein paar schwarze Sonnenbrillen glitzern in der Frühlingssonne.

„Stop!“, rufe ich, denn „Stop“ ist ein internationales Wort, und ein internationales Wort ist angebracht für den Kaukasier im schwarzen Mantel, der jetzt cool und – ja sexy – zwischen Telefonläden, Juwelieren, Stundenhotels, Gemüseläden geht; ihm gehört der Laden, alle Läden gehören ihm und seinen Freunden.

„Stop“, rufe ich ihm zu, denn er versteht kein Deutsch – vor einer Woche hat er es auch kaum getan, als er nachts besoffen auf dem Altonaer Busbahnhof stand und nach Henstedt-Ulzburg wollte. Ich hatte ihn auf den angebrachtesten Bus geschleift, an den Einwänden des Busfahrers vorbei, der den Bus ein paar Minuten später viel geeigneter fand, für einen angeheiterten Osteuropäer.

War er in Henstedt-Ulzburg zu Kräften gekommen? Zu sonnenbebrillten Freunden mit zielgerichteten Wangenknochen? Er erkannte mich wirklich nicht wieder. „Stopp, halt?“ Eine verrückte Frau auf einem Fahrrad. Seine Freunde sehen jetzt schon blamiert aus.