Zwischen Geheimdienst und Blendwerk

WIKILEAKS Die Internetplattform veröffentlicht Millionen E-Mails des privaten Nachrichtendienstes Stratfor. Die Daten waren im Dezember von Hackern aus dem Anonymous-Umfeld gestohlen worden

LONDON/BERLIN rtr/taz | Das Enthüllungsportal Wikileaks hat am Montag damit begonnen, mehr als fünf Millionen E-Mails des privaten US-Nachrichtendienstes Stratfor zu veröffentlichen. Bei den Daten handele es sich um interne und externe Korrespondenz von Mitarbeitern des Dienstes, teilte Wikileaks mit. Zu den Stratfor-Kunden gehören auch Firmen, die auf der Fortune-Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen stehen. Die Daten wurden offensichtlich von Hackern erbeutet. Stratfor erklärte, es werde sich nicht zur Echtheit der Dokumente äußern. Welche Auswirkungen die Veröffentlichung auf das Unternehmen, seine Mitarbeiter, Kunden und Informanten haben würden, war zunächst nicht klar.

Wikileaks-Gründer Julian Assange sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Stratfor greife auf Informanten in der US-Regierung, auf ausländische Geheimdienste mit zweifelhaftem Ruf und auf Journalisten zurück.

Stratfor-Chef George Friedman hatte im Januar eingeräumt, dass E-Mails gestohlen worden seien. Hacker aus dem Anonymous-Umfeld hatten sich zu dem Datenklau bekannt und sollen die Informationen an Wikileaks weitergegeben haben. Die Diebe würden aber kaum wichtige Daten finden.

Tatsächlich zeigt eine erste schnelle Durchsicht der am Montag veröffentlichten 170 E-Mails ein unterschiedliches Bild. Nachrichten, die die Arbeitsweise von Stratfor selbst betreffen, kommen höchst konspirativ daher und legen tatsächlich das Bild eines privaten, weltweit operierenden Geheimdienstes nahe. Inhaltliche Analysen aber, etwa zum Gesundheitszustand von Venezuelas Präsident Hugo Chávez oder zu den Aktivitäten der Tierrechte-Organisation Peta, bewegen sich eher zwischen Hörensagen, zweifelhaften Quellen und Pressespiegel. Dazu kommen etliche Mails, die sich darüber lustig machen, wie einfach Kunden mit Binsenweisheiten zu blenden seien.

Das Vertrauen dieser Kunden, die für Stratfors Dienste viel Geld zahlen, dürfte erschüttert sein – durch die Veröffentlichung und durch deren Inhalt. Stratfor erklärte, das Unternehmen solle durch die Veröffentlichung der Mails zum Schweigen gebracht und eingeschüchtert werden. Stratfor werde sich dazu nicht äußern. Das in Texas beheimatete Unternehmen bietet unter anderem als Abonnementdienst geopolitische Analysen an, erfüllt aber auch spezielle Rechercheaufträge für Unternehmen und US-amerikanische Regierungsbehörden. PKT