„Reine Zeitverschwendung“

PARTEIEN Während „Die Linke“ im Parlament nur Ablehnung für ihren Antrag gegen Hartz IV erntet, kommt es davor zum Schulterschluss mit den Piraten

Am 22. Februar 2002 setzt die Bundesregierung die 12-köpfige „Hartz-Kommission“ ein, der neben Politikern und zwei Gewerkschaftern auch Vertreter von Daimler, Deutsche Bank, BASF, Berger und McKinsey angehörten. Den Vorsitz hat Peter Hartz, Vorstandsmitglied von VW.

■ Ende 2002 und 2003 kommen die Hartz-Gesetze: Die Aufhebung der Beschränkungen für Leiharbeit (Hartz I), die Einführung der Minijobs (Hartz II) und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe (Hartz IV). Hartz erhält das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

■ 2007 wird Peter Hartz wegen Untreue in 44 Fällen (Bestechungs-Bonuszahlungen bei VW) zu zwei Jahren Haft verurteilt.

„Einen derart propagandistisch ausgerichteten Antrag habe ich selten gesehen“, schimpft Klaus Möhle, der ex-grüne SPD-Sprecher für Sozialpolitik. Zuvor hat Peter Erlansson, der mit Möhle immerhin den grauzotteligen Habitus teilt, für die Linkspartei eine offizielle Feststellung der Bürgerschaft gefordert: Die Hartz-Gesetze hätten „maßgeblich zur sozialen Spaltung und zur Ausweitung des Niedrig- lohnsektors in Bremen beigetragen“. Das Rededuell Zausel gegen Zausel ist nicht das einzige, bei dem an diesem Nachmittag Erbitterung zu spüren ist.

Als „Verschwendung wertvoller Debattenzeit“ geißelt Claas Rohmeyer (CDU) die Diskussion, in der Sache allerdings räumen sämtliche Redner erhebliche Defizite ein. Weder sei die Langzeitarbeitslosigkeit „aufgebrochen“ noch die Mobilität der Arbeitnehmer durch Hartz IV erhöht worden, kritisiert Dieter Reinken (SPD). Der sozialdemokratische Wirtschaftssenator Martin Günthner betont: „Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn ein fleißiger Arbeitnehmer nach einem Jahr Arbeitslosigkeit plötzlich auf derselben Stufe mit jemandem steht, der nie gearbeitet hat.“ Das sei „auch eine Entwertung von Biographien“, ruft Günthner unter breitem Beifall bis zur CDU.

Für die Grünen fordert Frank Willmann die Auflösung der „Konstruktion Bedarfsgemeinschaft“ zu Gunsten eines individuellen Anspruchs auf Existenzsicherung und betont, dass der Regelsatz zur soziokulturellen Teilhabe „definitiv“ nicht reiche.

Die 2002 von Rotgrün mit Zustimmung der CDU beschlossenen Hartz-Gesetze, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie die Umwandlung der Arbeitsämter in Jobcenter sei im Grundsatz richtig, sagt Möhle. Niemand unterstützt den „Linken“-Antrag.

Außerhalb des Parlaments ist sie weit weniger isoliert: Die Bremer Piraten hatten zur Unterstützung einer Linkspartei-Demonstration vor der Bürgerschaft aufgerufen, „eine Premiere“, wie der Parteivorsitzende Robert Bauer sagt. Die Piraten als Streiter für die Entrechteten? Zumindest einen Reichen versetzten sie gestern in Unruhe. Warum um Gottes Willen sie diesen Namen gewählt hätten, fragt ein gut gekleideter Herr, der sich vorsichtig den Fahnen schwenkenden „Piraten“ nähert. Als er jüngst mit seiner Yacht vor Somalia kreuzte, habe er großen Angst vor den dortigen Piraten gehabt. HB