Spagarisch

Schöner Theaterabend: Jürgen Gosch inszeniert Yasmina Rezas „Spanisches Stück“ am Schauspielhaus

Etwas verstiegen hört sich der Plot ja schon an: Schauspieler proben ein spanisches Stück. Darin kommen wiederum zwei Schauspielerinnen vor, von denen eine gerade an einem bulgarischen Stück arbeitet. Bulgarisch – das klingt schwer und traurig, und das ist es auch. Spanisch – das klingt schrill und emotional und entwickelt sich tatsächlich zu einer Familiengroteske, die an frühe Filme von Pedro Almodovar erinnert. Beides zusammen genommen ist ein doppelbödiges, so intelligentes wie unterhaltsames Stück aus der Feder von Yasmina Reza, das Jürgen Gosch jetzt mit leichter Hand und wunderbaren Darstellern am Schauspielhaus inszeniert hat.

Hauchzarte Vorhänge trennen die Ebenen zwischen Probenbetrieb, „echtem“ Leben und der wirklichen Theatersituation. Ganz hinten warten die Schauspieler auf ihren Auftritt, in der Mitte trifft sich die spanische Familie im Haus der Mutter Pilar zum Rivalitätskampf zwischen Tochter Nuria, einer sehr erfolgreichen Filmschauspielerin (Anneke Kim Sarnau), und ihrer Schwester Aurelia, einer nur mäßig erfolgreichen Theaterschauspielerin (Wiebke Puls). Die probt zwischendrin noch das bulgarische Stück mit ihrem Mann Mariano als Stichwortgeber.

So durchscheinend die Vorhangstoffe, so locker und geschmeidig lässt Gosch auch die Ebenen ineinander fließen. Auch der Kontakt zum Publikum ist sofort da. Aurelias Ehemann Mariano reicht das Spielgerät der dreijährigen Tochter in die erste Reihe hinunter und schimpft einen Zuschauer aus: „Lola, gib dem kleinen Jungen sein Schäufelchen zurück.“ Alle fünf Schauspieler treten aus ihrer Rolle und sprechen am Bühnenrand selbstkritisch über ihre Profession im Allgemeinen und ihre Figur in Spanisches Stück. Einer behauptet gar, Schauspieler wären per se keine Künstler, und zwar weil ihre Gefallsucht aller Kunst zuwiderlaufe.

Die Inszenierung beweist das glatte Gegenteil. Was hier so scheinbar mühelos läuft, ist große Schauspielkunst. Dabei bietet sich keine der Figuren als echter Sympathieträger an. Am ehesten noch Fernan (Manfred Zapatka), ein netter, älterer Herr, der sich in Pilar (Rosel Zech) verliebt hat und sie rechtschaffen vor ihren respektlosen Töchtern in Schutz nimmt. Der aber auch mit Monologen über seine Tätigkeit als Hausverwalter gnadenlos langweilt – nur übertroffen von seinem Schwiegersohn in spe (Thomas Dannemann), der ausgiebig über Nachbarschaftsstreitigkeiten schwadroniert.

Da trumpfen die Frauen anders auf. Besonders Wiebke Puls als notorisch nörgelndes „Heimchen“ läuft zu zickigen Hochtouren auf, bis sie in einer Panikattacke so wild um sich tritt, dass das Rampenlicht fast in den Zuschauerraum fällt. Also: Keine Angst vor der spanisch-bulgarischen Connection. Es könnte ein ausgesprochen schöner Theaterabend werden. KARIN LIEBE

nächste Vorstellung: 16. Mai, 20 Uhr, Schauspielhaus