Jenseits der Ironie

Die neue Ernsthaftigkeit des Protests: Marco Bülow und Paul Nolte schreiben gegen die nörglerische Zuschauerdemokratie an

Von Markus Jox

Aufdrücken von satten Studiengebühren, Umbau des Wasserturms im Schanzenpark zum Luxushotel, Rasieren der direkten Demokratie: In Hamburg gibt es derzeit mehr als genug Anlass, oft und mit großer Wut im Bauch auf die Straße zu gehen, Flagge zu zeigen, zu protestieren.

Zwei zum Verwechseln ähnlich betitelte Büchlein versuchen jenseits tagespolitischer Aufgeregtheiten Perspektiven aufzuzeigen, die man allen Wütenden sehr gerne empfehlen möchte. Der Brass verschwindet so zwar nicht, aber ein wenig Mut könnte nachwachsen. „Generation Zukunft“ hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, Experte für Energiepolitik und Vorkämpfer für mehr Generationengerechtigkeit, sein „Plädoyer für verantwortungsbewusstes Handeln“ überschrieben. Der Bremer Historiker Paul Nolte siedelt seine „Generation Reform“ betitelte Studie „jenseits der blockierten Republik“ an.

Bülow diskutierte den Inhalt seiner plakativ heruntergeschriebenen, aber gleichwohl nicht oberflächlichen Suada – darunter sind einige bemerkenswerte Vorschläge für eine Erneuerung demokratischen Kultur – „mit jungen, politisch engagierten Menschen“ in einem Internetchat, dessen Protokoll er zum Schlusskapitel adelte. Janina von Greenpeace, Sven von Attac und Jörg von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen benennen dort die Triebfedern für ihr Engagement: „Ich möchte die Gesellschaft verändern“, sagt Jörg, „und meine Zeit nicht für Dinge opfern, von denen ich nicht wirklich überzeugt bin.“ Janina gibt an, „Menschen für die Umweltproblematik sensibilisieren“ zu wollen. Sven engagiert sich, weil er „die globale Armut und die Zerstörung der Natur nicht ertragen“ kann und sich gegen „immer größere Ungerechtigkeiten auf der Welt“ zur Wehr setzen will.

Nolte erweist sich in seiner fulminant geschriebenen Polemik als Kritiker der distanzierten Ironisierung: „Man muss die Vorzüge der ironischen Geisteshaltung vielleicht nicht ganz und gar aufgeben und kann trotzdem erkennen, dass ein neues Engagement jenseits der Ironie gefordert ist.“ Mit solchem Einsatz, so die These, könne man heute „in die immer deutlicher aufbrechende Leerstelle zwischen den alternden 68ern und den verschiedenen Spaßgenerationen eintreten“. Die Bürgergesellschaft sei längst zur passiven Nörglerin verkommen, die die „Bequemlichkeit des Zuschauers dem Gang auf die Barrikaden, in die Parteiversammlung oder das Parlament“ vorziehe.

Nolte sieht eine „Generation Reform“ sich sammeln, die den Anspruch erhebt, „nicht beiseite zu stehen, sondern sich einzumischen und Verantwortung zu übernehmen für eine veränderte Republik“. Weder die etablierten Verhaltensmuster älterer noch die jüngerer Generationen könnten Deutschland aus der derzeitigen Krise heraushelfen. Kennzeichnend für die „Generation Reform“ ist laut Nolte „Realismus und Nüchternheit, verbunden mit einem Schuss Skepsis gegenüber dem allgegenwärtigen Konsum- und Medienhedonismus, dazu auch ein Stück moralische Verpflichtung“. Nolte verlangt vom Individuum eine „aktivistische Grundhaltung“ in einer „neuen bürgerlichen Gesellschaft, in der die Einzelnen, getragen von der Gemeinschaft, Verantwortung übernehmen“.

Marco Bülow: Generation Zukunft. Ein Plädoyer für verantwortungsbewusstes Handeln. Riemann, München 2004Paul Nolte: Generation Reform. Jenseits der blockierten Republik, C.H.Beck, München 2004