Das Ampelmännchen zwischen den Fronten

Ein Schwabe und ein Sachse streiten um den DDR-Ampelmann. Heute entscheidet das Landgericht Leipzig

BERLIN taz ■ Es gibt ihn als Silberschmuck, Eiswürfelform, Flaschenöffner, Lampe, Hampelmann, Schlüsselanhänger, Fruchtgummi mit Himbeer- oder Waldmeistergeschmack bis hin zum Keksausstecher. Sein Konterfei prangt auf T-Shirts, Taschen, Badelatschen, Ohrwärmern, Handtüchern oder Schnapsflaschen. Das grüne Ampelmännchen, das in der DDR den Verkehr regelte, ist längst zum Kultobjekt geworden. Und zu einer lukrativen Einnahmequelle, um die ein juristischer Streit entbrannt ist. Heute verhandelt das Landgericht Leipzig darüber, wer das Männchen vermarkten darf.

Es geht dabei um eine Ost-West-Geschichte, wie sie nur die Wende hervorbringen kann. Der „Böse“ ist dabei natürlich ein Westler, Schwabe noch dazu. Markus Heckhausen, 44-jähriger Industriedesigner aus Tübingen, kam nach dem Mauerfall nach Berlin und fand das Ost-Ampelmännchen „knuffig und dynamisch“. Er sammelte alte Ampeln ein, die durch Westmännchen ersetzt worden waren. Er engagierte sich in einem „Komitee zur Rettung des Ampelmännchens“ und nahm Kontakt auf zu dem ehemaligen Verkehrspsychologen Karl Peglau aus Ostberlin, der 1961 die Figur schuf.

Der heutige 78-Jährige stand der kommerziellen Vermarktung seiner Erfindung anfangs skeptisch gegenüber. Profitstreben war ihm als Ostler natürlich fremd. Mittlerweile verbindet ihn ein herzliches Verhältnis mit dem Schwaben, der mit ihm zusammen ein Ampelmännchen-Buch herausgegeben hat. Seitdem Heckhausen das grüne und das rote Ampelmännchen, den „Geher“ und den „Steher“, als Wort- und Bildmarke und all seine Produkte als Geschmacksmuster beim Patenamt eintragen ließ, macht er über seine Ampelmann GmbH und seine drei Geschäfte in Berlin ein gutes Geschäft. Etwa zwei Millionen Euro verdient der Westmann pro Jahr mit dem kleinen Ostmann.

Der „Gute“ beziehungsweise der „Dumme“ in dem Ampelmännchenstreit ist natürlich ein Ostler, ein Sachse ausgerechnet. Joachim Roßberg, 53-jähriger Diplomingenieur aus Zwickau, war früher Direktor des staatlichen Betriebes VEB Signaltechnik, der zu DDR-Zeiten Ampeln herstellte. Seit 1990 ist er Geschäftsführer der Verkehrstechnik GmbH und sorgt noch immer mit Lichtsignalanlagen für Sicherheit im Straßenverkehr. Auch Roßberg ließ sich Ampelmannprodukte beim Patentamt schützen und verkauft in seinem Laden in Sachsen ähnliche Sachen wie Heckhausen. Nur backt der Sachse viel kleinere Brötchen als der Schwabe. Seinen Jahresumsatz gibt er mit 50.000 Euro an. Doch die will ihm der Westler streitig machen. Heckhausen fordert Roßberg auf, seine Patentrechte löschen zu lassen. Die Begründung: Er habe sie seit fünf Jahren nicht mehr aktiv genutzt.

Dabei gab es in der Nachwendezeit eine durchaus fruchtbare Ost-West-Zusammenarbeit. Heckhausen hatte die ersten Ampelscheiben für seine Ampelmännchen-Lampen bei Roßberg gekauft. Und in dem Buch, das er mit dem Ampelmännchen-Erfinder herausgab, ist Roßberg mit einem Aufsatz vertreten. Doch diese deutsch-deutsche Annäherung ist längst Schnee von gestern. Heckhausen will das alleinige Recht an der Vermarktung. „Wir haben das Männchen bekannt gemacht“, sagt er selbstbewusst. Roßberg sei „auf den Zug aufgesprungen“ und habe von ihm „abgekupfert“.

Roßberg verweist auf seine Firma als „die Wiege des Ost-Ampelmännchens“. Er sagt: „Wir haben eine breite Palette von Produkten, die über unsere eigene Handelsfirma vertrieben werden. Die Marke wurde in den letzten Jahren voll genutzt.“ Mehr will er vor der heutigen Verhandlung in der Heldenstadt Leipzig, zu der die Kontrahenten persönlich erscheinen müssen, nicht sagen. BARBARA BOLLWAHN