EU pfeift auf Merkels „Sparkommissar“

GIPFEL Deutschland gerät in die Defensive: Sonderkontrollen für Griechenland stoßen auf Ablehnung, Fiskalpakt wird gelockert

BRÜSSEL taz | Dicke Luft beim EU-Gipfel in Brüssel: Der deutsche Vorschlag, Griechenland mit einem „Sparkommissar“ zu Budgetdisziplin zu zwingen, führte beim Treffen der 27 EU-Chefs zu massiver Verstimmung. Österreichs Kanzler Werner Faymann kritisierte die deutsche „Beleidigung“, Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verwahrte sich gegen eine „Drohung“. Sogar Eurogruppenchef Juncker ging auf Distanz: Ein Sparkommissar nur für Griechenland sei „inakzeptabel“.

Kanzlerin Angela Merkel blieb nichts anderes übrig, als sich von ihrem Vorschlag zu distanzieren – vorläufig. „Ich glaube, dass wir eine Diskussion führen, die wir nicht führen sollten“, sagte sie bei ihrer Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude. Indirekt jedoch sprach sich die Kanzlerin erneut für einen Oberaufseher für Athen aus: „Es geht darum, wie kann Europa unterstützen, dass in Griechenland die Dinge eingehalten werden, die als Auflagen gegeben werden.“ Die Zeit sei aber noch nicht reif für Entscheidungen, so die Kanzlerin weiter. Sie will auf die Ergebnisse der Umschuldungsverhandlungen mit den Banken warten, die gerade wieder vertagt wurden.

Wer vom EU-Gipfel weitere positive Signal für Griechenland erwartet hatte, wurde enttäuscht. Auch aus Portugal kamen schlechte Nachrichten: Lissabon brauche möglicherweise – wie Athen – ein zweites Rettungspaket, hieß es am Rande des Treffens. Eine Einigung zeichnet sich dagegen beim Streit über den Fiskalpakt ab. Polen, Ungarn und Tschechien fordern, künftig an allen Eurogipfeln beteiligt zu werden. Deutschland will den Osteuropäern nun erlauben, einmal im Jahr zu den 17 Euroländern hinzuzustoßen.

Bereits zuvor war Merkel Kompromisse eingegangen: Die Schuldenbremse, die der Fiskalpakt vorschreibt, muss nicht zwingend in die Verfassung aller Euroländer geschrieben werden. Bei Verstößen, die das zulässige Budgetdefizit auf 0,5 (statt bisher 3) Prozent der Wirtschaftsleistung absenken, droht keine automatische Klage vor dem Europäischen Gerichtshof mehr. Prozessiert werden soll erst, wenn die EU-Kommission den Verstoß feststellt und ein Euroland klagt.

Der Gipfel beschäftigte sich auch mit einer neuen Strategie für Wachstum und Beschäftigung, die Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy angestoßen hatten. Wenig Widerhall fand dagegen dessen Vorstoß zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer: Dafür ist einzig Österreich. EBO

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