LESERINNENBRIEFE
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Kritische Erklärung

■ betr.: „Protestformen“, taz vom 26. 1. 12

Im Blick auf den Aufruf „Block Dresden 2012“ hat der Stadtvorstand der Grünen in Halle (Saale) bereits am 20. 12. 11 gegenüber den Mitgliedern im lokalen „Bündnis gegen Rechts“ eine kritische Erklärung abgegeben. Darin heißt es:

Der Stadtverband Halle (Saale) von Bündnis 90/Die Grünen hat Bedenken gegen einzelne Formulierungen, Inhalte und den Ton des Aufrufs „Block Dresden 2012“. Wir sehen eine erhebliche Gefahr, dass im Zusammenhang mit diesem Aufruf andere Formen des friedlichen Protests aus der Dresdner Zivilgesellschaft abgewertet werden. So heißt es in der Mitteilung der Organisatoren vom 13. 12. 2011 zum Kampagnenstart: „Auch im dritten Jahr wollen wir den Naziaufmarsch in Dresden blockieren. Keine Symbolpolitik, kein Händchen halten.“ Wir haben Bauchschmerzen mit solchen Formulierungen und wünschen uns eine größere Konzentration auf den Protest mit friedlichen Mitteln. Über den konkreten Anlass der Demonstration in Dresden hinaus sehen wir die Notwendigkeit, unsere Haltung zu verschiedenen Formen des Protests gegen Neonaziaufmärsche zu erklären. Der Stadtvorstand erachtet alle Formen des Protests mit friedlichen Mitteln (Meile der Demokratie, Menschenketten, Demonstrationen in Hör- und Sichtweite, Sitzblockaden) für legitim und notwendig. Wir wehren uns gegen jegliches Abqualifizieren dieser Protestformen, von welcher Seite auch immer. Eine Grenze ist für uns überschritten, wenn etwa Mülltonnen in Brand gesetzt und – wie am 14. 1.2012 in Magdeburg – Flaschen, Feuerwerkskörper und andere gefährliche Gegenstände auf Menschen geworfen werden. Ebenso kritisieren wir überhartes Vorgehen der Polizei und den großzügigen Einsatz von Pfefferspray gegen friedliche Blockierer wie zum Beispiel am 1. 5. 2011 in Halle. SEBASTIAN KRANICH, Beisitzer

In die Linke eintreten

■ betr.: „Überwachung für alle!“, taz vom 27. 1. 12

Mein Vorschlag: bundesweiter Protest durch Mitgliedsantrag bei der Partei Die Linke. Dann hätte „unser“ Verfassungsschutz ordentlich was zu tun; Folgen wären für die/den Einzelne/n kaum zu erwarten, erstens sowieso und zweitens solange Selbstzweck und Insuffizienz bei Ersterem ähnlich ausgeprägt sind, wie bei den Kollegen in Thüringen und Sachsen …

Ich bin kein Mitglied von Die Linke und habe auch sonst keine Verbindung zur Partei, aber wenn ich sehe, wie sich die Nazis in Deutschland wieder breitmachen, so dass es trotz aller vereinzelten Protestaktionen allmählich zu einem Gewöhnungseffekt im Bewusstsein der Bevölkerung kommt, dann frage ich mich, ob Innenminister Friedrich auf einem Auge blind ist oder einfach nur politisch unterentwickelt. Sollte also ein entsprechender Aufruf zur Mitgliedschaft im Netz oder in der Presse kommen: Ich wäre dabei! JÜRGEN STEUSZLOFF, Aumühle

Wo der Zündschlüssel hängt

■ betr.: „Wir schützen Ehen“, taz vom 24. 1. 12

„Muslimtaxi“ hebt auch bei uns Protestanten den Promillepegel. Unser Mitfahrprojekt heißt „Jesus auf Rädern“. Da dürfen alle, die davon überzeugt sind, dass das Christentum wahre Religion und Jesus makellos ist, mitfahren. Außer geschiedenen Haustieren, da sind wir orthodox. Eine Ausnahme machen wir bei Andersgläubigen, die wir, sakradi!, an das Christentum heranführen. Allerdings, wie wir Evangelen, Spruch Gottes, nun mal sind, sitzen bei uns ausschließlich Frauen hinterm Steuer, und der Beifahrersitz ist durchs Kreuz belegt. Wegen dem lustvollen Holzkontakt beim Schalten. Das Kopftuch ist den Frauen, Jessas!, freigestellt, aber wenn, dann lila! Nein, da wird sich der Protestantismus nicht ändern: Unsere Frauen werden, Halleluja!, auch in tausend Jahren noch Taxi fahren! Und vielleicht, Gott weiß es, vielleicht kriegen wir dann ja auch mal ’ne ganze Seite in der taz, um den Brüdern und Schwestern zu zeigen, wo bei uns der Zündschlüssel hängt. Aber in Ewischkeit!

ULLRICH NEBENHOFFER, Frankfurt

Pietät vergessen

■ betr.: „Neues aus dem Inkompetenzzentrum“, taz vom 26. 1. 12

Bei allem Verständnis für das aufbrausende Temperament von Josef Winkler, sollte er seinen Brass so weit unter Kontrolle haben, dass ihm nicht menschenverachtende Formulierungen unterlaufen. Sein Satz: „Jetzt kann man über den Sinn dieses Gesetzes und die Beweggründe von Sarkorzy streiten …“ enthält die Formulierung: „… just vor ein paar Wochen mal wieder 35 Zivilisten bei einem Luftangriff zu bröseliger Kohle verbrannt worden sind“. Wie viel Selbstgefälligkeit muss in einem Menschen stecken, der für seine „Sprachkunst“ jedwede Pietät gegenüber einer solchen menschlichen Tragödie vergisst?

MARIANNE WAGNER, Wiesbaden