Kadis gehen auf die Barrikaden

Die ägyptische Reformbewegung wächst. Als erste Institution gesellt sich jetzt auch die Richterschaft dazu. Sie fordert eine stärkere Trennung von Exekutive und Legislative

KAIRO taz ■ Ein Teil der Richterschaft verweigert dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak ihr bedingungsloses Gefolge. Nachdem in Kairo seit Wochen kleine Demonstrationen für politische Reformen unter dem Titel „Mubarak, es reicht!“ stattfinden, gehen jetzt auch die ägyptischen Kadis auf die Barrikaden.

In einem ungewöhnlichen Schritt für das Land am Nil, in dem die Exekutive bisher uneingeschränkte Macht besitzt, klagen die Richter eine stärkere Rolle bei der Überwachung der Wahlen ein. Mehr als 1.500 Richter erklärten in einer außerordentlichen Sitzung des Richterverbandes in der zweitgrößten ägyptischen Stadt Alexandria, dass sie die für Herbst angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen nur überwachen wollen, wenn sie Garantien erhalten, dass der gesamte Wahlprozess ohne jegliche Einmischung der Exekutive stattfinden kann. „Das ägyptische Volk setzt große Hoffnungen auf die Richter, ohne Bevormundung und selbstbestimmt seine Freiheit zu verwirklichen und seine Rechte erlangen zu können“, erklärte der Chef des Verbandes in Alexandria, Rida al-Khudieri.

Bei den Parlamentswahlen 2000 war die Judikative missbraucht worden, um dem Prozess den Anschein von Legitimität zu geben. Der Einfluss der Richter erstreckte sich damals nur auf den Bereich innerhalb der Wahllokale, während draußen Sicherheitskräfte in Zivil die Wähler der Opposition davon abhielten, in die Räume zu gelangen. Journalisten wurden massiv an ihrer Arbeit gehindert.

Bei einem Versuch, in ein Wahllokal im Norden Kairos zu gelangen, wurde auch der taz- Korrespondent zusammen mit dem Kollegen der Süddeutschen Zeitung und einem Vertreter von amnesty international von Polizisten in zivil zusammengeschlagen. Am Ende erhielt die Regierungspartei Mubaraks 440 von 454 Parlamentssitzen.

Die Richter wollen sich nun nicht mehr mit der Überwachung des Inneren der Wahllokale zufrieden geben. Sie verlangen, dass „die vollkommene Überwachung des Wahlprozesses von der Registrierung der Wähler bis hin zur Verkündung der Ergebnisse“ in ihre Hände gelegt wird. Ansonsten stünden sie nicht zur Verfügung, heißt es in der Erklärung. Ohne richterliche Kontrolle wären die Wahlen laut Gesetzgebung aber illegal.

Die Richter kündigten auch an, dass ihre Kollegen in anderen Landesteilen innerhalb der nächsten zwei Monaten ähnliche Forderungen erheben werden und das Innenministerium vollkommen aus dem Wahlprozess ausgeschaltet werden soll. Neben einer echten Überwachungsrolle bei den Wahlen forderten die Richter auch eine stärkere Trennung von Exekutive und Legislative, beispielsweise bei der Verfügung über das Budget und der Ernennung von Richtern.

KARIM EL-GAWHARY