„Eine Spirale der Gewalt“

VORTRAG Ein Schifffahrtsexperte berichtet über moderne Piraterie im Indischen Ozean

■ 47, ist Schweizer, Kapitän, Geschäftsführer eines Regressbüros und Ex-Professor für Schifffahrtsrecht und Navigation.

taz: Wie verhandelt man denn mit somalischen Piraten, Herr Irminger?

Peter Irminger: Das geht alles über ein Satellitentelefon, die Piraten geben einen Zeitpunkt vor, und wenn man Glück hat, rufen sie dann auch an. Ihr Englisch ist unterschiedlich gut, die Umgangsformen sind zum Teil deutlich unter der Gürtellinie. Es ist sehr aufreibend.

Die Piratenangriffe im Indischen Ozean werden immer brutaler ...

... es ist eine Spirale der Gewalt. Und die ist selbst gemacht. Auf jede Aktion von Seiten der Reeder folgt eine – im Grunde vorhersehbare – Reaktion von Seiten der Piraten. Werden die Piraten mit zielgerichteten Schüssen hingerichtet, werden die Schiffe deutlich aggressiver angegangen. Eilt man den Piraten nach, nehmen sie Geiseln, bis sie im sicheren Hinterland sind. Werden sie verurteilt, behalten sie Geiseln zurück, um ihre Kollegen freizupressen. Erfahren die Piraten von Befreiungsaktionen etwa der GSG 9, wie im Falle der „Hansa Stavanger“, dann werden die Geiseln eben getrennt – dann wird die Befreiung sinnlos.

Wie kann man sich dann überhaupt vor Piratenangriffen schützen?

Es gibt dafür eine ganze Menge von Gerätschaften, Nato-Stacheldraht etwa oder Seifenwasser, das über Spraydüsen an Deck verteilt wird. Mittlerweile gibt es auch bewaffnete Söldner an Bord, die Bundesregierung hat das auch legalisiert.

Wie stehen Sie zum militärischen Schutz der Handelswege?

Der hilft durchaus. Aber das Seegebiet ist so groß, dass man es mit allen Marinen der Welt nicht komplett überwachen kann.

Ist es Aufgabe von Armeen, private Reeder zu schützen?

Das ist die Frage. Es wird da ja oft argumentiert, dass die Piraterie die Weltwirtschaft gefährden könnte – aber das sehe ich nicht so. Das Ausmaß ist relativ überschaubar.

Könnte man das zur Piratenabwehr gezahlte Geld nicht in Somalia selbst besser einsetzen?

Straftaten kann man nicht noch mit Geld belohnen.

Sie sagen, der beste Schutz gegen Piraten ist die Geschwindigkeit eines Schiffes.

Die Piratenangriffe waren bisher nur erfolgreich, wenn ein Schiff nicht schneller als 16 Knoten war. Die großen Containerschiffe laufen bis zu 24 Knoten, auch Passagierschiffe sind schneller. Von 30.000 Schiffspassagen im indischen Ozean sind etwa zwei Drittel gefährdet. INTERVIEW: JAN ZIER

20 Uhr, Haus der Wissenschaft