LESERINNENBRIEFE
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EZB als Krisenmanager einsetzen

■ betr.: „Provokation zur Unzeit“, taz vom 16. 1. 12

Mit ihren ohne jegliche Haftung verbundenen „Meinungsäußerungen“ und dubiosen Verbindungen zu den Auftraggebern verlieren Ratingagenturen jegliche Glaubwürdigkeit. Trotzdem hat die jetzige Abwertung einen Sinn. Die kurzfristigen taktischen Rettungsversuche von „Merkozy“ und der EU-Kommission offenbaren ein strategieloses Hinausschieben der Krise. Sie beschwören mit steigender Vehemenz den fiskalpolitischen Offenbarungseid der Euroländer beziehungsweise der gesamten EU. Die Leidtragenden werden mehrheitlich die normalen Bürgerinnen sein, nach dem Motto: Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Kosten. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt uns, dass eine demokratische, auf den Menschrechten beruhende Gesellschaft eine egalitäre Verteilung der von allen erarbeiteten Gewinne voraussetzt. Deshalb: Taktisch kurzfristig die EZB als „direkten Krisenmanager“ beauftragen, um die „Zocker“ auszutrocknen; strategisch langfristig eine solidarische Fiskalpolitik unter Abschöpfung des überbordenden Reichtums der Oberschicht aufbauen. KURT REMMEL, Rehlingen

Wenig grüne Spuren

■ betr.: „Jede Menge Schnittmengen“, taz vom 21. 1. 12

„Zumal wir […] zwei Ressorts hatten, die erfolgreich die Zukunftsthemen Umwelt, Energie, Verkehr, Bildung besetzen.“

Zur Sicht von Exministerin Peter: Erfolgreich war das „reine Besetzen“ von Ressorts und Schlüsselthemen. Doch danach? Andere Grünen-Wähler und ich sind enttäuscht, wie wenig die Ministeriumsbesetzer in die Wege geleitet haben, um auch längerfristig grüne Spuren zu hinterlassen. Insbesondere die Chance zur Verkehrswende im Autofahrer-Saarland wurde erneut vertan: Nicht eine Reaktivierung von Bahnstrecken, nicht eine Shared-Space-Zone, nicht eine Maßnahme zur Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und den ÖV vermag ich meinen Exgrünen zuzuordnen. Selten war eine Regierungszeit so inhaltsarm und effektlos, auch wenn sie vorzeitig endete. Was soll ich nun wählen? WERNER RIED, St. Ingbert

Heuchlerisch und erbärmlich

■ betr.: „Rebellion des Speckgürtels“, taz vom 14. 1. 12

Schon vergessen, Herr Tarek Al-Wazir? Bei der Abstimmung im Stadtparlament Frankfurt über den Flughafenausbau haben die grünen Heuchler sich der Stimme enthalten und so die Stimmenmehrheit für den Ausbau gesichert. Und jetzt den Dicken machen und sich als Flughafengegner hinstellen. Einfach heuchlerisch und erbärmlich. MANFRED SCHAROLD, Kelkheim

Flugreisen boykottieren

■ betr.: „Rebellion des Speckgürtels“, taz vom 14. 1. 12

Wenn es uns trifft, gehen wir gegen Fluglärm auf die Straße, wenn es andere trifft, ist uns das herzlich egal! Wer von den Protestlern verzichtet auf den Mallorca-Flugurlaub oder die Weekend-Shopping-Tour, weil er nicht über den Köpfen seiner Mitmenschen herumdröhnen will? Wer verzichtet auf die Ananas aus Ghana, die Schnittblumen aus Südamerika, die winterlichen Weintrauben von der Südhemisphäre aus Rücksicht auf die jeweiligen Flughafenanwohner? Es sind doch nicht die Flughafenbetreiber, die aus Jux und Dollerei ausbauen, sondern wir, die immer mehr reisen und Globalisierungsgüter kaufen wollen! Diese Proteste haben etwas Verlogenes, bei allem Mitgefühl für die Lärmopfer. Bestes Mittel zur Lärmreduktion: Flugreisen und geflogene Waren boykottieren! Letztere müssten dringend gekennzeichnet werden, auch für CO2-bewusste Verbraucher. SABINE MIEHE, Marburg

Eurozentrische Sichtweise

■ betr.: „Aigner attackiert Agrardemonstranten“, taz vom 20. 1. 12

Ministerin Aigner verteidigt die deutsche Agrarindustrie, als würde diese dem Hunger in der Welt abhelfen können. Das Gegenteil ist wahr. Denn: „Um in Deutschland billiges Fleisch zu produzieren, verdrängen Sojamonokulturen den Lebensmittelanbau in Hungerländern. Die Hungernden in den Entwicklungsländern brauchen aber kein deutsches Schweinefleisch, sondern Zugang zu Land und Wasser, um selbst Grundnahrungsmittel zu erzeugen“ (taz, 20. 1. 12, Seite 11). Verlierer sind also die Milliarden Weltbürger, die weder Geldwert produzieren noch vom Markt konsumieren. Hier manche alleinerziehende Mütter, dort die Subsistenzbauern. Es sind die, die sich schwer in das heutige Wirtschaftssystem integrieren lassen. Es sind die, die nicht zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beitragen und auf die der Turbokapitalismus gerne verzichten würde.

Hungern tun die, die zu arm sind, Nahrung vom Weltmarkt zu kaufen, weil ihnen die Nahrungsmittelpreise davonlaufen. Spekulanten und die Verbrennung von Lebensmitteln als „Biodiesel“ in unseren Fahrzeugen sorgen für immer weiter steigende Preise. Die Armen dieser Welt erheben mit Recht einen Anspruch auf Überleben und Gesundheit mit ausreichend Nahrung und sauberem Trinkwasser. Dennoch sterben Kinder und Erwachsene im Sekundentakt an Hunger und vermeidbaren Krankheiten. Von den vorhandenen Nahrungsmitteln könnte die Weltbevölkerung dreimal ernährt werden, wenn wir nicht so verschwenderisch mit Agrarprodukten umgehen würden. Aigners Agrarpolitik ist ein erschreckendes Beispiel eurozentrischer Sichtweisen und unterschiedlich gewerteter Menschenleben. MARK SPOELSTRA, Freinsheim