Kein Kritikbedarf: Return to Sender

Ein Protestspaziergang gegen die Lobbyarbeit großer Konzerne und ungerechte Handelspolitik endete mit einem Versammlungsverbot. Die Angesprochenen gaben sich zwar sympathisierend, blieben aber doch unempfänglich

Ein Spaziergang sollte es sein, keine Demonstration. Man wollte nur bei alten Bekannten vorbeischauen und ihnen gehörig die Meinung sagen. Und weil Überraschungen gut ankommen, hatte man sich vorher nicht angekündigt. Doch nicht alle wissen so viel Spontaneität zu schätzen.

Gleich an der ersten Station des „Lobbyspaziergangs zu Profiteuren ungerechter Handelspolitik“, zu dem am Mittwochmorgen rund 25 Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen aufbrachen, kam es, wie es kommen musste: Bei RWE, im Internationalen Handelszentrum in der Friedrichsstraße, war niemand da, der die Ansichtskarte hätte lesen können. „Kein Ausverkauf der Wasserversorgung an Konzerne!“ steht darauf.

Die Veranstalter des Walk-ins werfen der RWE-Tochter Thames Water nämlich vor, dass sich auch sieben Jahre nach Übernahme der Wasserversorgung in Jakarta nur die Preise, nicht aber die Wasserqualität erhöht hätten. Die Protestnote kriegt der Konzern nun eben per Post.

Beim Deutschen Bauernverband in der Reinhardtstraße, der nächsten Station der Spaziergänger, sieht es besser aus. Der Pressesprecher, Dr. Michael Lohse, gibt sich diskussionsfreudig. Mit vielen Argumenten beteuert er, dass sein Arbeitgeber die Forderung, EU-Exportsubventionen abzuschaffen, um die Existenz von Kleinbauern in der dritten Welt zu sichern, unterstütze. Die Ansichtskarte mit der Aufschrift „Ernährung weltweit sichern!“ wollte Lohse dann aber doch nicht annehmen. Auch hier: Ab in den Briefkasten!

Lohses Diskursfreudigkeit hatte einen Nachteil: Armin Massing vom Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag (BER), der Abgesandte der gehfreudigen Gruppe, ließ so lange auf sich warten, dass die kleine Ansammlung schließlich sogar der Polizei auffiel. Wem hätte ein vier Meter langer, kreischend gelber Drache, den ungerechten Welthandel symbolisierend, und von einem Lobbyisten an der Leine gehalten, auch entgehen können? Pech zudem, dass sich auch der argentinische Präsident im gleichen Gebäude aufhielt, um dessen Sicherheit die Ordnungshüter dann bangten. Schließlich werteten sie den Spaziergang als eine nicht angemeldete Versammlung mit politischer Aussage – und somit als Straftat.

Ordnung hin oder her, die Polizisten ließen die Globalisierungskritiker ziehen – weiter zum Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in der Breiten Straße. Hier spielte sich in etwa die gleiche Szene ab wie an der zweiten Station. Pressesprecher Thomas Hüne versicherte seinen Gästen, dass der BDI der Forderung „Kein Freihandel auf Kosten der Umwelt!“ voll zustimme. Erklärte sich aber nicht bereit, den Glaspalast zu verlassen, um die Ansichtskarte in Empfang zu nehmen.

Massing zeigte sich dennoch zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung: „Bisher ist in Deutschland unbeachtet geblieben, in welchem Maße Konzerne durch Lobbyarbeit Einfluss auf die Positionen der Bundesregierung nehmen. Wir haben durch unsere Aktion einen Anfang gemacht.“ Um auch den BDI aufsuchen zu dürfen, hatte man übrigens die Kostüme ablegen, die Plakate verhüllen und sich in kleinen Gruppen dorthin begeben müssen. Und so wurde aus der Veranstaltung dann doch noch, was sie von Anfang an sein sollte: ein Spaziergang.

NICOLE WELGEN