Das geht dich nichts an

MUMBLECORE Im Arsenal-Kino beginnt eine Werkschau des US-Indie-Filmemachers Andrew Bujalski. Seine Protagonisten sind Ebenbilder verkrachter Collegeabsolventen, die sich nuschelnd durchwurschteln

VON DOMINIK KAMALZADEH

Die hohe Sensibilität gegenüber Befindlichkeiten und Lebenswelten junger Generationen ist eine konstante Qualität des unabhängigen US-Kinos. Beim Rhythmus, bei der Sprache und dem Gestus der Filme von Richard Linklater oder Larry Clark gewinnt man etwa den Eindruck, sie entwuchsen direkt dem jeweiligen Milieu; bei „Mumblecore“, jener in den nuller Jahren entstandenen Gruppe junger, meist schnell und digital drehender US-Filmemacher, war es tatsächlich so.

In Filmen, die ihre Do-it-yourself-Ästhetik und äußerst geringe Budgets verbanden, hielt sich eine in flexiblen und entsprechend ungewissen Arbeitsverhältnissen dahinwurstelnde Generation einen Spiegel vor. Auch der 1977 in Boston geborene Andrew Bujalski, den das Arsenal nun mit einer Werkschau ehrt, gehörte zu ihnen und wurde ein paar Jahre lang sogar zu deren Aushängeschild; genau genommen ist Bujalski unter ihnen jedoch ein Sonderfall – schon aufgrund seines hohen Ethos gegenüber dem Handwerk und dem Material: Anders als die meisten seiner Kollegen dreht er ausschließlich auf Film und montiert seine Arbeiten noch klassisch am Schneidetisch.

Seine große Liebe

Bujalskis Liebe zum europäischen Autorenkino – er hat unter anderem bei Chantal Akerman studiert – trifft sich in seinen Filmen mit dem Underground-Geist eines John Cassavetes. Bujalskis Filme wirken lebensnah und spontan, sind jedoch genau konzipiert: „Ich versuche, mit dem Drehbuch so präzise wie möglich zu sein“, erzählte er einmal im Interview. „Das ist eine wichtige Vorbereitung, damit ich die Ziele der Szenen kenne, sobald wir mit dem Dreh beginnen.“ Sein Debütfilm „Funny Ha Ha“ (2002) mauserte sich schnell, wenngleich abseits vertrauter Distributionswege zum Liebling der US-Filmkritik. Die Geschichte über eine Collegeabgängerin, die mit schlecht bezahlten Jobs und verkorksten Männerbekanntschaften erste Erfahrungen im neuen Lebensabschnitt sammelt, traf das diffuse Lebensgefühl der Twentysomethings, ohne deshalb gleich als Generationenporträt gelten zu müssen.

Die für die „Mumblecore“-Filme charakteristische Tonart des Sprechens, ein Grummeln, Nuscheln, ein Spiel mit Füllwörtern, findet sich schon hier. Heldinnen und Helden von Bujalski-Filmen entwerfen sich ständig neu im Dialog, sie suchen Ausflüchte und kommen nur umständlich zum Punkt. In „Mutual Appreciation“ (2005), seinem zweiten Film, beweist Bujalski ein ähnliches Sprachgefühl wie ein Jahrzehnt davor schon Richard Linklater: Die dahinmäandernden Dialoge spiegeln die erzählerischen Eskapaden durch lange Nächte wider. Alan (Justin Rice), ein junger Songwriter, kommt nach Brooklyn, New York, auf der Suche nach einem Drummer für seinen Auftritt.

Der in grobkörnigem 16 mm gedrehte Film ist seinen Figuren ohne Anstrengung nahe. Gleich am Anfang liegen Alan und Ellie (Rachel Clift) im Bett, dann tritt Lawrence hinzu, den Bujalski selbst verkörpert, und die Dreieckskonstruktion ist komplett. Doch der Film verhandelt keine großen Konflikte. Anziehungen, Attraktionen und die seltsamen Gefühle, die eine Nacht hinterlässt, stehen hier im Mittelpunkt. „Mutual Appreciation“ ist ein Film über Menschen, die ihren Platz im Leben erst vorwärmen.

„Beeswax“ (2009), Bujalskis bislang letzter Film, verdankt seinen Titel der Redensart „It’s none of your beeswax“ – „Das geht dich nichts an.“ Wieder geht es um kleine romantische Irritationen und zwischenmenschliche Bindungen, doch mit veränderter Nuancierung. Im Mittelpunkt stehen diesmal die Zwillingsschwestern Jeannie und Lauren (gespielt von Tilly und Maggie Hatcher, langjährige Bekannte Bujalskis) aus Austin, Texas. Jeannie sitzt im Rollstuhl, betreibt eine Secondhand-Boutique und sehnt sich nach Ausgeglichenheit. Lauren dagegen ist gleich zu Beginn des Films wieder Single, ständig auf der Suche nach einem Job – ein neues Angebot würde sie nun ins Ausland führen.

Mit „Beeswax“, der in warmen, lichten Farbtönen gefilmt ist, bewegt sich Bujalski fort von den um sich selbst kreisenden Mumblecore-Typen und richtet sein Augenmerk stärker auf Handlungen und deren mögliche Auswirkungen. Es wirkt, als seien die Figuren mit ihrem Regisseur ein Stück erwachsener geworden.

Zurzeit arbeitet Bukalski an einem Film mit dem Titel „Computer Chess“, der in die frühen achtziger Jahre führt. Schachspieler und Computerprogrammierer sind die Protagonisten – mit einem Wort: Nerds. Es dürfte sich um einen Film über prägende Kindheitserinnerungen handeln.

■ Die Filme laufen ab morgen bis zum 31. Januar; am 27. Januar spricht Nicolas Wackerbarth mit Andrew Bujalski über das Thema „Die Unschärfe des Lebens“ www.arsenal-berlin.de