Kreativität mit Zahlen versöhnen

Die vielen Kulturschaffenden in Berlin und Brandenburg spielen eine gewichtige wirtschaftliche Rolle für die Region. Die meisten sind Gründer, verstehen sich oft aber nicht als Unternehmer. Künftig sollen die Kreativen gezielter gefördert werden

VON MIRKO HEINEMANN

Wer jüngst das Foyer der Landesvertretung Brandenburg durchschritt, passierte einen so genannten „Walk of Fame“. Ein halbes Dutzend Plakate zeigte beispielhaft erfolgreiche Unternehmensgründer. Darunter waren auch drei junge Berliner: Tita von Hardenberg, Falk Walter, Olaf Kretschmar.

Tita von Hardenberg, bekannt als Moderatorin des TV-Magazins „Polylux“, gründete die Produktionsfirma Kobalt Productions, die mit mehreren Magazinen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vertreten ist. Dann Falk Walter, der sich in kurzer Zeit zu einem Gastronomie- und Konzert-Mogul in Berlin gemausert hat. Ihm gehören neben der Veranstaltungshalle „Arena“ diverse Lokale. Jüngst erwarb er das Metropol Theater an der Friedrichstraße und eröffnete das Badeschiff in Treptow. Zum dritten lächelt Olaf Kretschmer auf dem „Walk of Fame“, Oxymoron-Betreiber und Vorstand der Club Commission, Sprachrohr wichtiger Berliner Clubs.

Was die drei eint: Sie sind Vertreter jener Spezies von Unternehmern, die im weiteren Sinne als Kulturschaffende gelten. Und die werden speziell in der Region Berlin und Brandenburg immer wichtiger. Dieser Entwicklung tragen auch die Deutschen Gründer- und UnternehmerTage (deGUT) 2005 Rechnung, die sich an potenzielle Firmengründer in der Region richten. Das Klima rund um die Messe ist gut wie lange nicht mehr: Berlin und Brandenburg verzeichneten im vergangenen Jahr ein Plus von über 25 Prozent bei Firmengründungen gegenüber dem Vorjahr. Ein Trend, der durch Ich-AGs und die Drohkulisse Hartz IV zwar beschleunigt wird, aber, so Volkmar Strauch, Berliner Staatssekretär für Wirtschaft, „allein dadurch nicht zu erklären ist“.

Der neue Gründergeist macht vor keinem Bereich halt: „Zukunftsmarkt Kultur und Medien“, lautet der affirmative Titel einer Veranstaltung auf der deGUT, andere Seminare richten sich an Gründer aus den Bereichen Clubkultur, Musikindustrie und Design. Unter den mehr als 200 Ausstellern sind zahlreiche Jungunternehmer mit Ideen im Kultur- und Medienbereich.

Was das für die Finanzierung von Seiten der Banken bedeutet, erklärt Dietrich Suhlrie, Direktor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): „Ob Sie eine Galerie gründen oder einen Handwerksbetrieb – das Prüfverfahren ist dasselbe.“ Die KfW vergibt, ähnlich wie die Investitionsbanken der Länder, Kredite und unterstützt innovative Gründungen. Als Bank der Länder und des Bundes ist sie gesetzlich verpflichtet, Existenzgründungen und mittelständische Unternehmen zu fördern, darunter in besonderem Maße auch Freiberufler, die in Kultur und Medien eine herausragende Rolle spielen (Bericht unten auf dieser Seite).

In Sachen Businessplan scheiden sich zwischen Kulturschaffenden und Banken allerdings oft die Geister. Insbesondere Künstler haben mit dem Verfahren, mit dem die Investitionsbanken die jungen Unternehmen auf Herz und Nieren testen, oftmals ihre liebe Not. In jenem Verfahren – auch „spanische Inquisition“ genannt – geht es nicht um Sex-Appeal, sondern um nackte Zahlen. Kreativgründer, deren Erfolgschance auf weichen Faktoren wie Szenezugehörigkeit, Sensibilität für bestimmte Trends oder schlichter Überzeugung beruht, fallen hier leicht aus dem Raster.

Da liegt es auf der Hand, dass solche Gründungen eine spezielle Betreuung brauchen. Das hat auch Strauch erkannt: „Kreative gründen anders.“ Daher arbeite er daran, zum Beispiel im Businessplan-Wettbewerb eine spezielle Sparte für Kulturschaffende zu entwickeln. Die Prüfung eines zukünftigen Unternehmens auf seine ökonomische Tragfähigkeit werde nämlich gerne unterschätzt. „Viele der kleinen und mittelständischen Unternehmen weisen einen horrend miserablen Liquiditätsplan auf.“

Viele Kulturarbeiter sind Einzelkämpfer, die sich mit prekären Auftragsverhältnissen durch die Selbstständigkeit lavieren. Ziel der Wirtschaftspolitik müsste sein, mit gezielten Fördermaßnahmen zur Vernetzung beizutragen, Zusammenschlüsse zu forcieren oder Gesellschaftsgründungen zu fördern. Genau hier sollen die Gründertage einhaken. Auf einschlägigen Veranstaltungen können künftige Kulturarbeiter sich kennen lernen und einen Überblick über das komplexe System der Kreditvergabe und Förderung erlangen. Die Investitionsbanken bieten kostenfreie Beratungen an. Nützlich ist eine solche Beratung in jedem Fall. Denn auch Künstler werden um Kosten-Nutzen-Rechnungen und Bilanzierung nur schwer herumkommen. Es sei denn, die kreativen Köpfe tun sich mit Steuerberatern, Ökonomen oder Buchhalter zusammen. Doch auch dann gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.