Karsais Platz bleibt demonstrativ leer

AFGHANISTAN Präsident Hamid Karsai verweigert sich im Wahlkampf dem ersten Fernsehduell in der Geschichte des Landes, greift aber am Folgetag den darin geäußerten Vorschlag eines Gegners auf

BERLIN taz | Afghanistans allererstes Fernsehduell hat am Donnerstagabend ohne den bisherigen Präsidenten Hamid Karsai stattgefunden. Zwischen den beiden aussichtsreichsten Herausforderern, Exaußenminister Abdullah Abdullah (49) und Exfinanzminister Ashraf Ghani (60), stand demonstrativ ein leeres Stehpult. Das war für den seit Ende 2001 amtierenden Karsai (51) vorgesehen. Dieser hatte erst am Vorabend für das vom Privatsender Tolo-TV seit Wochen geplante Duell abgesagt.

Ein Sprecher Karsais nannte mehrere Gründe. So seien nur drei der rund 40 Kandidaten geladen. Auch sei das Duell zu weit vom Wahltermin am 20. August entfernt, Karsai habe noch nicht sein Wahlprogramm vorgelegt und die offizielle Einladung sei erst zu Wochenbeginn erfolgt. Auch wolle Karsai lieber ein Duell beim Staatssender als bei Tolo, das nicht neutral sei. Das viel beliebtere Tolo TV behandelt Karsai ohne Frage kritischer und ist von ihm unabhängiger. So dürfte sich Karsai, der im Wahlkampf bisher vor allem mit Warlords und Mullahs kungelte, auch über das von Tolo präsentierte leere Pult geärgert haben.

Ohne den Präsidenten fehlte der zweistündigen Debatte der Kontrahent, zumal Moderator Mudschahid Kakar den beiden Herausforderern kaum Angriffe auf den Abwesenden jenseits seines Nichterscheinens erlaubte. Kakar, der als einziger afghanischer Journalist 2008 über den US-Wahlkampf von vor Ort berichtet hatte, befragte Abdullah und Ghani nach ihren Vorstellungen. So blieb es in dem nach US-Vorbild konzipierten Duell überwiegend höflich.

Ghani, der von einem früheren Wahlstrategen Bill Clintons beraten wird, war insgesamt konkreter. Der paschtunische Exmitarbeiter der Weltbank forderte eine nationale Wehrpflicht sowie einen Waffenstillstand mit den Taliban. Mit den ausländischen Truppen will er einen Zeitrahmen für deren schrittweisen Abzug aus Afghanistan sowie verbindliche Verhaltensregeln aushandeln. Das umstrittene US-Gefängnis Bagram auf dem gleichnamigen Militärstützpunkt nördlich von Kabul will Ghani bis 2012 schließen.

Am Freitag legte Karsai plötzlich sein Wahlprogramm vor. Laut Reuters schlug er darin ein Abkommen über Verhaltensregeln für die ausländischen Truppen vor, ganz ähnlich wie es Ghani am Vorabend bei Tolo gefordert hatte. SVEN HANSEN