BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN
: Mensch, Kiel

Die Kieler Koalition ist geplatzt, und Heide Simonis sieht sich bestätigt. Sie fand sie inhaltlich daneben, sagt sie. Inhalte? Es geht doch um anderes

Heide Simonis hat die Umstände ihres Abschieds wohl nicht verwunden. Na und?

Stille Zufriedenheit strahlt Heide Simonis in diesen Tagen aus. Natürlich sei sie nicht glücklich über das Chaos im Land, sagt die ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, aber eine „gewisse Genugtuung“ empfinde sie schon: „Ich war ja immer gegen eine große Koalition.“ Jetzt endlich verstünden viele Leute, dass es ihr damals nicht in erster Linie um den eigenen Posten gegangen sei, sondern um Inhalte. Weil sie nämlich einfach nicht daran geglaubt habe, dass ein solches Bündnis funktionieren werde. „Ich habe den Eindruck, die Wertschätzung für mich wächst.“

Es ist kleine Münze, solche Äußerungen als neuerlichen Beleg dafür heranzuziehen, dass Heide Simonis die unrühmlichen Umstände ihres Abschieds aus der Politik nicht verwunden hat. Wahrscheinlich stimmt das. Na und? Das gilt für die meisten, die sich von Kollegen, vom Ehepartner oder vom Schicksal ungerecht behandelt fühlen– sie sehnen sich danach, dass der Rest der Welt ihren Standpunkt irgendwann einmal als richtig anerkennt. Das allein ist noch kein Hinweis auf besondere persönliche Sturheit. Das ist Alltag. Und manchmal, horribile dictu, haben ja diejenigen sogar tatsächlich recht, die ihren Blickwinkel unbeirrt niemals verändern.

Wenn man Heide Simonis ernst nimmt – warum sollte man eine langjährige, seriöse Politikerin eigentlich weniger ernst nehmen als die Zauseln, die gegenwärtig in Schleswig-Holstein ein abstoßendes Schmierentheater aufführen? –, dann hat sie seinerzeit einem Regierungsbündnis keine Erfolgschance eingeräumt, das nach der politischen Farbenlehre als der selbstverständlichste aller Auswege aus einer schwierigen Konstellation gilt. Sie hat also nicht mechanisch reagiert, sondern eine konkrete Situation analysiert. Ja, ja, ja: gewiss auch aus Eigeninteresse heraus. Aber vielleicht deckte sich dieses Eigeninteresse eben tatsächlich mit den objektiven Gegebenheiten. Unverständlich ist es jedenfalls nicht, dass sie sich nun bestätigt fühlt.

Im Hinblick auf die anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen wäre es wunderbar, wenn auch andere die Farbenlehre mal beiseitelegten und konkret würden. Schwarz-Grün wäre ein Kulturschock? Und Rot-Rot-Grün im Bund geht gar nicht, weil Müntefering bekanntlich nicht mit Lafontaine kann? Fabelhafte Begründung. Vor allem in Zeiten wie diesen. Wie wäre es, stattdessen die Programme abzugleichen? Zum Beispiel die von CSU und FDP? Eine genauere Lektüre müsste eigentlich jedes Geschwätz über angeblich „natürliche“ Verbündete einer schwarz-gelben Koalition zum Verstummen bringen.

Schwierig das. Ich weiß. Die Terminnot. Ich verstehe. Der Bund wird wählen. Sachsen, Thüringen und das Saarland werden wählen. Bei einer solchen Fülle von Terminen kann man – kann die Öffentlichkeit – die Zeit für Detailarbeit nicht erübrigen.

Übrigens wird auch Schleswig-Holstein wählen. Dort hat der SPD-Fürst Ralf Stegner inzwischen allen Anlass, dem Landesparteitag voller Vorfreude entgegenzusehen. Der CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hat mit der unwürdigen Form der Verabschiedung der sozialdemokratischen Minister – man konnte den Eindruck gewinnen, die hätten silberne Löffel gestohlen – die Sozialdemokraten in eine Solidarität gezwungen, die sie andernfalls vielleicht gar nicht gezeigt hätten. Ach, Mensch. Es menschelt und menschelt. Allüberall. Wem das nutzt, ist offen. Einfacher als inhaltliche Arbeit ist es allemal. Für alle.

■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: Amélie Losier